Chemie

Blick ins vibrierende Molekül

Neue Methode zeigt Schwingungen in Molekülen bis aufs Atom genau

TER-SM
Mit der Silberspitze eines Rastertunnel-Mikroskops und einem Laserstrahl haben Forscher erstmals Schwingungen in einem Porphyrin-Molekül (CoTPP) mit atomarer Auflösung gemessen. © CaSTL / UCI

Verborgene Schwingungen: Forscher haben eine Methode entwickelt, die erstmals die Vibrationen in einem Molekül bis aufs Atom genau misst und sichtbar macht. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, die Struktur, die Energieverteilung und die Bindungen in einem Molekül zu untersuchen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“. Möglich wurde dieser Blick in die molekularen Schwingungen durch eine Kombination der Rastertunnel-Mikroskopie mit einer Laser-Spektroskopie.

Schwingungen sind die Grundlage aller Materialien und jeder Chemie: Atome und Moleküle stehen nie vollkommen still – je nach Energiegehalt zeigen sie eine unsichtbare Vibration. Diese internen Bewegungen beeinflussen das Reaktionsverhalten, die Stärke von chemischen Bindungen und auch die Form von Molekülen. Umgekehrt lassen sich an den Vibrationen eines Moleküls ablesen, welche Struktur und Bindungsenergien es hat.

Spektroskopie als Schwingungsmesser

Bisher jedoch hat die Messung dieser fundamentalen Schwingungen Grenzen. Beim gängigen Verfahren der Raman-Spektroskopie wird das Molekül zunächst mit einem Laserstrahl angeregt. Weil die zugeführte Energie zum Teil in Vibrationen umgesetzt wird, erlaubt das Spektrum des zurückgestrahlten Lichts Rückschlüsse auf Schwingungsmuster, Struktur und Energiegehalt des Moleküls – aber nicht bis auf das Atom genau.

Diese Genauigkeit haben nun erstmals Forscher um Joonhee Lee von der University of California in Irvine erreicht. „Wir messen die Frequenzen dieser Vibrationen schon seit Ewigkeiten mittels Spektroskopie – aber erst jetzt können wir sehen, was sich genau bewegt und wie“, erklärt Lee. „Jetzt könne wir direkt sichtbar machen, wie sich einzelne Atome innerhalb eines Moleküls bewegen.“

Silberspitze über festgefrorenem Molekül

Für den ersten Blick ins Molekül haben die Forscher zunächst ihr Testmolekül auf einer Kupferoberfläche platziert und das Ganze im Vakuum auf extrem niedrige Temperaturen heruntergekühlt. Dadurch wurden die Vibrationen auf ein Minimum reduziert. Als Testobjekte diente ein Kobalt-Porphyrin-Molekül – ein Kohlenwasserstoff-Molekül aus vier Ringen, das in seinem Zentrum ein Metallatom einschließen kann.

Nun folgte der entscheidende Schritt: Die Wissenschaftler bewegten die aus einem Silberatom bestehende Spitze eines Rastertunnel-Mikroskops (RTM) über das Molekül. Der Abstand zur Spitze war dabei kleiner als eine Atombreite, wie Lee und sein Team berichten. Wenn nun ein Laserstrahl direkt auf die Spitze des Mikroskops gerichtet wird, erzeugt er nur an dieser kleinen Stelle ein Spektrum zurückgeworfenen Lichts, das das lokale Schwingungsmuster im Molekül verrät.

Vibrationen selbst einzelner Bindungen

Das Resultat: Die Forscher erhielten je nach Position der Mikroskopspitze über dem Molekül klar unterscheidbare Spektren. „Über dem Kobalt-Atom wird das Spektrum von niederfrequenten Vibrationen zwischen 300 und 600 Schwingungen pro Zentimeter dominiert“, berichten Lee und sein Team. „Auf dem Pyrrol zeigt das Spektrum Linien im mittleren Bereich von 1.000 bis 1.600 pro Zentimeter und bei den Phenylen sind die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen mit 3.000 Schwingungen prominent.“

Diese Spektren erlauben es den Forschern erstmals, die Vibrationen im Porphyrin-Molekül hochaufgelöst und fast bis auf das Atom genau zu messen und sichtbar zu machen. Sie konnten beobachten, wie sich die Bindungen zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff im Molekül dehnen und zusammenziehen. Auch die Vibrationen an der Anlagerungsstelle des zentralen Kobalt-Atoms wurden sichtbar.

„Vor wenigen Jahren noch undenkbar“

„Wir haben damit jetzt ein Mikroskop mit atomarer Auflösung, durch das wir in die Moleküle hineinsehen können – das war noch vor wenigen Jahren völlig undenkbar“, sagt Lees Kollege Ara Apkarian. „Was wir auf dieser Ebene sehen können, ist wirklich erstaunlich.“ Nach Ansicht der Forscher kann die von ihnen „Tip-Enhanced Raman Spectromicroscopy“ (TER-SM) getaufte Methode künftig völlig neue Einblicke in die Vibrations-Modi von Molekülen und ihre Struktur liefern.

Ähnlich sieht es auch Kelsey Cook, Programmleiter der US National Science Foundation: „Diese Erfindung wird beispiellose, bahnbrechende neue Erkenntnisse darüber ermöglichen, wie Moleküle reagieren und Zellen funktionieren.“ (Nature, 2109; doi: 10.1038/s41586-019-1059-9)

Quelle: University of California – Irvine

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