Physik

Bose-Einstein-Kondensat als Thermometer

Schwankungen in gekoppelten Kondensaten nutzbar gemacht

Sie bilden einen Ausnahmezustand der Materie: die Bose-Einstein-Kondensate. In ihnen sind fast alle Teilchen im gleichen quantenmechanischen Zustand und sie sind delokalisiert, können also theoretisch gleichzeitig überall im Kondensat sein. Ihre Verhalten lässt sich anhand ihrer Materiewellen beoabchten. Jetzt haben Wissenschaftler beobachtet, was geschieht, wenn sich zwei Teile eines Kondensates und damit ihre Materiewellen überlagern.

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Mit Bose-Einstein-Kondensaten aus ultrakalten Atomgasen lässt sich das faszinierende Zusammenspiel von Quantenmechanik und Thermodynamik unter nahezu idealen Bedingungen studieren. Zerlegt man ein Kondensat in zwei unabhängige Teile, die man nach einiger Zeit wieder zusammenbringt, so können sich deren Materiewellen unter bestimmten Bedingungen kohärent überlagern. Dabei entsteht ein Interferenzmuster, wie man es vom Doppelspaltexperiment her kennt. Anhand dieser Interferenzen hat man jetzt an der Universität Heidelberg beobachtet, wie zwei Materiewellen durch thermische Schwankungen ihre Kohärenz verlieren. Dadurch wurde es möglich, extrem tiefe Temperaturen zu messen, wie die Forscher in der Zeitschrift Physical Review Letters berichten.

Kondensat zerlegt…

Markus Oberthaler und seine Mitarbeiter haben zunächst ein Bose- Einstein-Kondensat aus einigen tausend Rubidium-87-Atomen in einer optischen Dipolfalle hergestellt und festgehalten. Aus dem harmonischen Potential der Falle machten sie dann mit Hilfe von stehenden Lichtwellen, die sich im Zentrum der Falle kreuzten, ein Doppelmuldenpotential: Es bildeten sich zwei Potentialmulden, die von einer Barriere getrennt waren. Indem sie die Lichtintensität und damit auch die Barriere langsam erhöhten, konnten die Forscher ihr Kondensat behutsam in zwei Atomwolken zerlegen, die in den beiden Potentialmulden festgehalten wurden.

Die Materiewellen der beiden Atomwolken hatten jeweils eine Phase, die komplementär zur Zahl der Atome in der Wolke war. Nach Heisenbergs Unschärfebeziehung schwankte die Phase umso stärker, je genauer die Zahl der Atome in der Potentialmulde festlag. Bei einer unendlich hohen Barriere zwischen den beiden Mulden hätte die Zahl der Atome exakt festgelegen und die Phase wäre völlig unbestimmt gewesen. Doch tatsächlich war die Höhe der Barriere so bemessen, sodass die Atome von einer Mulde in die andere tunneln konnten. Die Phasen der Materiewellen hatten deshalb eine endliche Unschärfe, die umso kleiner war, je stärker die beiden Wellen durch das Tunneln miteinander gekoppelt waren.

…und wieder vereinigt

Um die quantenmechanischen Phasen der beiden Materiewellen miteinander zu vergleichen, schalteten die Forscher die optische Dipolfalle ab, woraufhin sich die Materiewellenpakete ausdehnten und durchdrangen. Es bildete sich ein Interferenzmuster aus Bereichen hoher und geringerer Atomdichte, aus dem man die Phasendifferenz der beiden Materiewellen bestimmen konnte. Um die Schwankungen der Phasendifferenz zu messen, wiederholten die Heidelberger Physiker dieses Interferenzexperiment bis zu 60-mal mit immer wieder neu hergestellten Bose-Einstein- Kondensaten. Dabei hielten sie die Temperatur des Kondensats und die Tunnelkopplung der Potentialmulden konstant.

Das Verhalten der beiden gekoppelten Atomwolken im Doppelmuldenpotential zeigte große Ähnlichkeit mit dem Josephson- Effekt zweier Supraleiter, die durch eine dünne Isolatorschicht voneinander getrennt sind. Die Forscher haben mit ihrem Verfahren gemessen, wie die Temperatur eines Bose-Einstein-Kondensats in einer Falle mit harmonischem Potential im Laufe der Zeit anwächst. Nimmt man an, dass dem Kondensat aus seiner Umgebung Wärme mit konstanter Rate zufließt, dann kann man aus dem zeitlichen Verhalten der Temperatur auf die Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität C(T) schließen. Markus Oberthaler und seine Mitarbeiter fanden heraus, dass die Temperatur unterhalb von 59 Nanokelvin nichtlinear mit der Zeit zunimmt, um dann oberhalb von 59 Nanokelvin linear anzuwachsen.

(Universität Heidelberg, 17.05.2006 – NPO)

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