Der Versuch, das Ölleck im Golf von Mexiko endgültig zu schließen, geht in die entscheidende Phase. BP plant heute den Beginn einer modifizierten Version der gescheiterten Operation „Top Kill“. Dabei soll erneut Spezialschlamm über den Blow-Out-Preventer in das defekte Bohrloch eingeleitet werden und dieses von innen heraus verstopfen. Gelingt dies nicht, erfolgt anschließend eine Einleitung direkt im Untergrund über die seitlichen Entlastungsbohrungen.
Bei der gescheiterten Operation „Top Kill“ wurde über eine seitliche Leitung des noch offenen Blow-Out-Preventers unter hohem Druck Spezialschlamm in das Bohrloch gepumpt, um den Ölfluss zu stoppen. Dies misslang jedoch. Im Unterschied zu damals verläuft die jetzt anlaufende Operation „Static Kill“ sehr viel langsamer und dient ebenso sehr einem Test der Bohrlochintegrität als dem Verschluss der defekten Bohrleitung. Da heute das Öl nicht mehr unter hohem Druck ausströmt, sondern durch die Verschlusskappe auf dem Blow-Out-Preventer gehalten wird, können Druck und Einpumpmenge sehr viel geringer gehalten werden.
Wie Kent Wells, technischer Experte von BP in einem Briefing erklärt, muss daher nicht „dynamisch“, quasi in einem Wettlauf mit dem Öl gepumpt werden, sondern der Pumpvorgang kann kontrolliert von statten gehen und zwischendrin immer wieder unterbrochen werden, um Messungen vorzunehmen. In gestrigen Test der Dichtigkeit des Blow-Out-Preventers und seiner Zuleitungen sei allerdings ein kleines Leck aufgetreten, erklärte BP heute früh. Die eigentliche Operation beginne erst, wenn dies geklärt sei.
„Static Kill“: Schlamm von oben
Wenn es losgeht, wird der besonders dichte Spezialschlamm durch die seitliche Zuleitung des Blow-Out-Preventers in das defekte Bohrloch und bis hinunter zum Beginn der unterirdischen Lagerstätte gepumpt. Im Idealfall soll das Eigengewicht dieses Schlammpfropfs den Druck des nach oben strömenden Öls ausgleichen und damit das Aufsteigen des Öls verhindern. Ist diese Blockade wirksam, soll der Schlamm durch einen Zement ersetzt werden, der das Bohrloch permanent versiegelt.
Die BP-Experten sind optimistisch, doch ein Scheitern ist durchaus möglich. Denn trotz aller Messungen können sie noch immer nicht ausschließen, dass auch die Hülle, das so genannte „Well-Casing“ des defekten Maconda-Bohrlochs im Untergrund Lecks aufweist. Ist dies der Fall, kann ein Teil des Schlamms seitlich austreten und zu einem Druckabfall führen. Dadurch wird der nötige Gegendruck auf dem Ölstrom nicht erreicht und das Öl strömt trotzdem noch nach oben. Zudem belastet die Schlammeinleitung auch den erst vor wenigen Wochen angebrachten Verschluss des Blow-Out-Preventers. Ist seine Stabilität in Gefahr, müsste sofort abgebrochen werden, um ein erneutes Austreten des Öls zu verhindern.
„Bottom Kill“: Schlamm über die Entlastungsbohrung
Sollte dies der Fall sein, folgt die Operation „Bottom Kill“ und die Entlastungsbohrungen kommen ins Spiel. Die erste der beiden im Mai begonnenen Bohrungen ist bereits bis auf wenige Meter an das defekte Bohrloch herangetrieben worden.
Die eigentliche Operation „Bottom Kill“ verläuft in zwei Phasen: In der ersten wird die seitliche Bohrung zunächst in den äußeren Bereich des Maconda-Bohrlochs, den so genannten Annulus, getrieben. Damit wird der Freiraum zwischen dem inneren Bohrfutter mit der Förderleitung und dem durch das Gestein gebildeten Außenrand des Bohrlochs bezeichnet. Er ist meist flüssigkeitsgefüllt. In diesem Freiraum wird Spezialschlamm eingepumpt, der sich nach unten bis in die Öllagerstätte ausbreitet. Klappt dies, wird Zement nachgeführt, um so eine stabile Umhüllung der Bohrung zu schaffen.
Erst „Annulus“ dann „Casing“
Im nächsten Schritt ziehen die Bohringenieure den Bohrkopf der seitlichen Entlastungsbohrung zurück und stoßen dann mit einem anderen Bohrer erneut vor, diesmal direkt in das Zentrum des defekten Maconda-Lochs, die vom „Casing“ umgebene Förderleitung. Auch hier wird wieder Schlamm, gefolgt von Zement eingefüllt. Klappt alles wie vorgesehen, ist damit das Bohrloch sowohl außen als auch innen verstopft, aus dem Reservoir kann kein Öl mehr nach oben gelangen.
Wie BP-Experten Wells erklärt, kann die gesamte Aktion einige Wochen dauern, je nachdem, ob die Zementierung schon bei der „Static Kill“-Operation gelingt oder erst bei „Bottom Kill“. In jedem Falle bleibt die Verschlusskappe auf dem Blow-Out-Preventer während dieser Zeit geschlossen, so dass auch während der Arbeiten voraussichtlich kein weiteres Öl ins Wasser fließen wird.
BP-Experten Kent Wells erklärt das Procedere (Video)
scinexx-Special zum Thema Ölkatastrophe Deepwater Horizon
(BP, 03.08.2010 – NPO)