Moderne Hubschrauber könnten durch ein von Buckelwalen abgeschautes Merkmal schneller und manövrierfähiger werden. Denn den Meeressäugern verhelfen einige typische Buckel an ihren Vorderflossen zu ihrem Geschick unter Wasser. Forscher haben diese Strukturen jetzt auf Hubschrauberrotoren übertragen und so deren Flugverhalten verbessert.
Dem Rotor verdankt der Hubschrauber seine besondere Fähigkeit, senkrecht starten und landen zu können. Er bringt aber gleichzeitig aerodynamische Nachteile mit sich. An dem Blatt des Hauptrotors eines Hubschraubers, das sich gerade nach hinten bewegt, reißt im schnellen Vorwärts- oder Manöverflug die Luftströmung ab – es kommt zum so genannten „Dynamic Stall“. Dadurch entstehen Wirbel, Auftrieb geht verloren und große Kräfte wirken auf den Rotor. Der Luftwiderstand erhöht sich und die Steuerstangen am Rotorkopf sind enormen Belastungen ausgesetzt.
Die Folge: „Die Höchstgeschwindigkeit in großer Flughöhe und insbesondere die Manövrierfähigkeit von Hubschraubern werden begrenzt“, erklärt Kai Richter vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen. Außerdem werde durch die auftretenden Vibrationen der Passagierkomfort eingeschränkt. Ohne diese Beschränkungen erlauben moderne Triebwerke deutlich bessere Flugleistungen. „Der Strömungsabriss ist eine der großen Herausforderungen in der Hubschrauber-Aerodynamik – und eine der komplexesten“, so Richter. Eine Computersimulation des drehenden Rotors ist deutlich komplizierter als bei Flugzeugen mit starren Flügeln.
Akrobatische Meeressäuger
Bei der Suche nach einer Möglichkeit, den Strömungsabriss bei Hubschraubern zu vermeiden, sind die Göttinger Forscher beim Buckelwal fündig geworden – was nur auf den ersten Blick verwundert. „Die Meeressäuger sind für ihre große Schnelligkeit und Akrobatik bekannt“, sagt Holger Mai vom Göttinger DLR-Institut für Aeroelastik. Dies verdanken sie ihren ungewöhnlich großen Brustflossen, die an der Vorderseite charakteristische Beulen aufweisen. „Untersuchungen haben gezeigt, dass durch die Beulen der Strömungsabriss unter Wasser deutlich später auftritt und der Auftrieb höher ist“, erklärt Mai.
Die DLR-Forscher haben die Idee von Beulen zur Verringerung des Strömungsabrisses auf den Hubschrauberrotor übertragen und als „Leading-Edge Vortex Generators“ (LEVoGs) patentieren lassen. „Strömungsphänomene sind im Wasser wie in der Luft vergleichbar, sie müssen nur skaliert werden“, so Mai. Darum sind die künstlichen Beulen auf den Rotorblättern kleiner als beim Buckelwal. Sie haben einen Durchmesser von sechs Millimetern und wiegen nur 0,04 Gramm. Experimente im Windkanal waren vielversprechend.
Ein erster Flugversuch konnte mit dem DLR-Forschungshubschrauber Bo 105 in Braunschweig erfolgreich durchgeführt werden. Dazu wurden auf jedem der vier Rotorblätter 186 LEVoGs aus Gummi geklebt. „Die Piloten haben bereits ein anderes Verhalten der Rotorblätter festgestellt“, so Projektleiter Richter. Hauptzweck war in diesem ersten Flugversuch, die Sicherheit der neuen Methode zu demonstrieren. „Nächster Schritt ist ein Flug mit einer speziellen Messanlage, um die Effekte genau erfassen zu können“, sagt Richter.
Sollte sich die Idee als erfolgreich erweisen, könnten existierende Hubschrauber damit ohne größeren Aufwand nachgerüstet werden, hofft der DLR-Forscher. Bei künftigen Hubschraubern könnten Konturen von vornherein in die aus Titan bestehende Blattvorderkante gefräst werden.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 30.01.2012 – NPO)