Trennung im Molekülstrahl
Die Wissenschaftler haben ihre neue Methode an einem Aminophenol erprobt – und zwar an zwei Konformeren, in denen die Hydroxidgruppe des Moleküls unterschiedlich orientiert ist. Diese Gruppe besteht aus einem Sauerstoff- und einem Wasserstoffatom und ist für Alkohole charakteristisch. Ihre unterschiedlichen Orientierungen im Aminophenol heißen cis- und trans-Stellung: In der cis-Version weist die Hydroxidgruppe zur einen Seite, in der trans-Variante genau zur anderen Seite des Moleküls. Aus diesem Grund ist das Dipolmoment des cis-Aminophenols etwa dreimal größer als das des trans-Pendants.
Um die beiden Konformere mit den verschiedenen Haltungen des Hydroxidärmchens zu trennen, haben die Forscher eine kleine Menge der Substanz verdampft und zu einem Molekülstrahl gebündelt. Der Strahl legt in der Apparatur der Berliner Forscher genau einen Meter zurück. Damit sich die cis- und trans-Versionen auf dieser Strecke trennen, legen Küpper und seine Mitarbeiter elektrische Felder an, die auf die Moleküle Kräfte ausüben: Sie gruppieren um den Molekularstrahl vier Elektroden – Metallstangen, die unter Spannung stehen und eine Art offene Röhre bilden.
Durch diese Röhre saust der Strahl. An zwei Elektroden liegt eine Wechselspannung, die dafür sorgt, dass der positive und der negative Pol ständig hin und her springen. Entsprechend ändert sich die Richtung, in der die Kraft des elektrischen Feldes auf die Moleküle wirkt. Entscheidend ist dabei die Frequenz des Wechselfelds, also wie schnell die Pole ihre Plätze tauschen. Verschiedene Dipole sprechen auf das Wechselfeld nämlich unterschiedlich gut an. Letztlich gelangen bei einer bestimmten Frequenz des Wechselfeldes nur Moleküle mit einem bestimmten Dipolmoment – genauer gesagt mit einem bestimmten Verhältnis zwischen ihrem Dipolmoment und ihrer Masse – ans Ende der Apparatur. Alle anderen treiben allmählich aus der Flugbahn des Strahls.
Auslese auch nach Rotationsstärke
Auf diese Weise isolieren die Berliner Forscher um Frank Filsinger nicht nur ein bestimmtes Konformer. Sie können die Konformere sogar noch danach sortieren, wie stark sie rotieren. Das machen Moleküle ständig, aber nicht immer gleich schnell. Für die Stärke der Rotation gibt es ein Maß – die Rotationsquantenzahl. Die ist umso höher, je schneller sich das Molekül dreht. Dann wird allerdings auch der Dipol des Teilchens immer schwächer und das elektrische Feld wirkt schwächer auf das Molekül.
„Wir sieben also auch die Moleküle in den niedrigsten Rotationsquantenzuständen heraus“, sagt Küpper. Auf diese Weise lassen sich die Moleküle im Raum besonders gut ausrichten. So hoffen die Forscher, künftig alle Teilchen, deren Arme in dieselbe Richtung zeigen, auf die Beine stellen zu können.
Erforschung von Molekülen erleichtert
„Unsere Methode ergänzt andere neuartige Experimente, wie etwa den Röntgenlaser, der derzeit in Hamburg entsteht.“ Dieser Röntgenlaser wird in besonders intensivem Licht strahlen, das ihn zu einem sehr empfindlichen Messinstrument macht. Viele Wissenschaftler hoffen daher, mit ihm einzelne Biomoleküle abbilden zu können – die dann natürlich auch nur als einzelnes Konformer vorliegen. In den Aufnahmen des neuen Großgeräts würden sich die Darstellungen verschiedener Molekülhaltungen also nicht zu einem schemenhaften Bild verwischen.
„Wir gehen dagegen den umgekehrten Weg“, erklärt Küpper. „Da wir die unterschiedlichen Konformere isolieren können und daher alle Moleküle in der Probe gleich aussehen, sind wir nicht darauf angewiesen, einzelne Moleküle zu untersuchen“, sagt Küpper, „sondern könnten die Signalstärke durch die Beobachtung vieler gleich aussehender Moleküle unter Umständen entscheidend vergrößern.
Bislang können er und seine Mitarbeiter mit dem Molekülsieb nur relativ kleine Teilchen trennen. Die Konformere größerer Moleküle zu sortieren, ist aber kein prinzipielles Problem, sondern ein praktisches. „Die Trennnung würde funktionieren“, so Küpper, „sehr große ungeladene Moleküle lassen sich bislang jedoch einfach noch nicht zu einem gasförmigen Strahl bündeln.“ Daran arbeiten weltweit viele Wissenschaftler – auch die Physiker vom Fritz-Haber-Institut.
(Fritz-Haber-Institut, 07.04.2008 – NPO)
7. April 2008