Chemie

Chemiker erschaffen molekularen „Super-Knoten“

Erster Knoten mit acht Überkreuzungen aus einem in sich gewundenen 192 Atom-Molekül

Ein durchgehender Strang, der sich an acht Stellen überkreuzt: Diese komplexen Knotenform haben Chemiker erstmals aus einem Molekül hergestellt. Die Murmlen symbolisieren die dabei eingesetzten Hilfsionen: zentral ein Chloridion, weiter außen vier Eisenionen. © Stuart Jantzen, www.biocinematics.com

Rekord-Knoten: Britischen Chemikern ist es gelungen, den bisher komplexesten molekularen Knoten zu erschaffen. Das Gebilde besteht aus einer 192 Atome langen Molekülkette, die mit sich selbst acht Überkreuzungen bildet. Dieser und andere chemische Knoten könnten künftig dazu beitragen, beispielsweise polymere und andere Materialien widerstandsfähiger zu machen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ erklären.

Bei Schnürsenkeln, Tauen oder anderen Alltagsobjekten ist ein Knoten schnell gemacht – wenn man weiß wie. Anders jedoch in der Chemie: Moleküle in die gewünschte überkreuzte und verwobene Form zu bringen ist eine echte Herausforderung: „Bisher wurden von sechs Millionen möglichen nichttrivialen Knotentopologien erst drei aus kleineren Molekülen synthetisiert: Ein Dreierknoten, eine Achterfigur und ein fünflappiger Knoten“, berichten Jonathan Danon und seine Kollegen von der University of Manchester.

Von der Helix zum Knoten

Typischerweise erzeugen Chemiker solche molekularen Knoten, indem sie ein langes Doppelhelix- oder Dreifachhelix-Molekül als Ausgangsbasis nehmen. Über die Reaktion mit Metallionen bringen sie diese Atomketten dann dazu, sich zu überkreuzen und neue Bindungsstellen auszubilden. Die Anzahl dieser chemischen Verknotungshelfer und ihrer potenziellen Anlagerungsstellen bestimmt dabei entscheidend die spätere Geometrie des Molekülknotens.

Ziel von Danon und seinen Kollegen war es, erstmals einen Knoten mit acht Überkreuzungen zu erzeugen. Dieser sogenannte 819-Knoten Knoten ähnelt einem endlosen, in sich geschlossenen Band, das dreimal um ein zentrales Objekt gewickelt wurde und dabei vier innere und vier äußere, symmetrische Kreuzungen bildet.

Eisenkomplexe als Formbildner

Um diese Struktur zu synthetisieren, begannen die Chemiker mit einem 20 Nanometer langen organischen Molekül, das wie eine Dreifachhelix gewunden ist und einen geschlossenen Ring bildet. Diesem Molekül setzten sie unter anderem Eisenchlorid zu. Vier Eisenionen lagerten sich dabei so in die Molekülkette ein, dass sie vier im Quadrat angeordnete Eisenkomplexe bildeten und die Stickstoffenden mehrerer Ringteile an sich zogen. Das Zentrum des Gebildes bildete ein Chloridion.

Struktur des fertigen Knotens aus einem 192 Atome langen Molekülstrang. Die vier Eisenionen sind violett, Sauerstoff ist rot, Stickstoff dunkelblau und das zentrale Chloridion ist grün dargestellt. Türkis eingefärbt ist eine der kettenförmigen Grundeinheiten, aus denen der Molekülring aufgebaut ist. © Robert W. McGregor (www.mcgregorfineart.com).

Dadurch wurde die zuvor kreisförmige Molekülkette verformt und zu ersten Überkreuzungen gezwungen. Durch Zusatz von Kaliumhexafluorophosphat (KPF6) und einige weitere Reaktionsschritte brachten die Chemiker dieses Molekül dazu, durch Umlagerungen auf der Außenseite der vier Eisenkomplexe vier weitere Überkreuzungen zu bilden. Das Ergebnis waren rote, nadelartige Kristalle, die mittels Röntgenkristallografie auf ihre Struktur hin untersucht werden konnten.

Achterknoten bestätigt

Und tatsächlich: „Die Analyse bestätigt die Topologie und vierfache Symmetrie eines molekularen 819-Knotens“, berichten Danon und seine Kollegen. „Der organische Ligand bildet einen kontinuierlichen, 192 Atome langen Strang, der jedes der vier koplanaren Eisenzentren dreimal passiert und dabei acht nichtalternierende Kreuzungen bildet.“

Dieser molekulare Knoten ist damit das komplexeste regelmäßig verwobenen Molekül, das bisher von Wissenschaftlern gezielt hergestellt wurde, wie die Forscher betonen. Denn viele der bisher entdeckten Molekülknoten sind einfach zufällig entstanden – sie waren unerwartete Reaktionsprodukte.

Weg zu neuen „Supermaterialien“

Die Fähigkeit, komplexe Molekülknoten zu synthetisieren ist aber mehr als nur chemische Spielerei. Sie hat durchaus praktische Relevanz, wie Danon und seine Kollegen erklären. Durch die Verknotung verändern sich die Eigenschaften von Molekülen und Polymere könne beispielsw3wise erheblich fester und widerstandsfähiger werden.

„Solche verknoteten Polymere, wie die von Spinne produzierte Seide, können doppelt so fest wie Stahl sein“, sagt Seniorautor David Leigh. „Polymerstränge zu verknoten könnte daher zu einer neuen Generation von leichten, superstarken und flexiblen Materialien für Fabrikation und Konstruktion führen.“ (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aal1619)

(University of Manchester, 13.01.2017 – NPO)

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