Entdeckung mit Alltagsrelevanz: Chemiker haben eine Beschichtung entwickelt, die Oberflächen extrem wasserabweisend macht – sie ist die „glitschigste“ Oberfläche der Welt, wie das Team berichtet. Wassertropfen gleiten schon bei minimaler Neigung von nur 0,01 Grad von ihr ab. Möglich wird dies durch beweglich an die Oberfläche gebundene Moleküle, die wie eine flüssige Schmierschicht zwischen Wassertropfen und Oberfläche wirken. Überraschend dabei: Am besten wirkt die Antihaftschicht bei sehr geringer oder sehr hoher Dichte der Moleküle.
Ob beim Kochen, auf Fensterscheiben oder den Tragflächen von Flugzeugen: Wasserabweisende Antihaftschichten werden in unzähligen Gegenständen und Anwendungen unseres Alltags benötigt. Sie sollen das Verschmutzen oder Vereisen von Oberflächen verhindern, den reibungslosen Fluss von Kraftstoffen und anderen Flüssigkeiten sicherstellen oder die Ablagerung von Rückständen erschweren. Bisher geschieht dies meist durch Beschichtung mit wasserabweisenden, hydrophoben Chemikalien oder einer nanostrukturierten Oberfläche wie beim Lotuseffekt.
Ziel der meisten Antihaftbeschichtungen ist es, die Reibung an der Kontaktfläche zwischen Oberfläche und Wassertropfen so weit herabzusetzen, dass der Tropfen abperlt, statt sich anzulagern. Nanostrukturierte Oberflächen erreichen dies beispielsweise dadurch, dass ihre vielen winzigen Säulchen und Spitzen die Kontaktfläche minimieren und damit auch die Reibung.
Mobile Moleküle
Eine neue Variante dieses Prinzips haben nun Chemiker um Sakari Lepikko von der Aalto-Universität in Finnland entwickelt. „Es ist das erste Mal, jemand direkt auf die Nanometer-Ebene gegangen ist, um direkt dort molekular heterogenen Oberflächen zu erzeugen“, erkläret Lepikko. Statt künstlich erzeugter Nanosäulchen nutzten er und sein Team spezielle Moleküle, um der Oberfläche eine Art wasserabweisendes „Fell“ zu verleihen.
Konkret besteht ihre Beschichtung aus organischen Molekülen mit einem hydrophilen, wasseraffinen Kopf aus Siliziumatomen und einem wasserabweisenden „Schwänzchen“ aus einer Kohlenwasserstoffkette – so weit, so erwartbar. Das Besondere jedoch: Diese Moleküle sind selbstorganisierend und hochgradig mobil. Obwohl sie über kovalente Bindungen an die Oberfläche gebunden sind, können sie flexibel ihre Positionen wechseln und verhalten sich daher eher wie eine flüssige Schmierschicht als wie eine feste Beschichtung.
„Die glitschigste Oberfläche der Welt“
Als die Chemiker diese Beschichtung auf ihre wasserabweisende Wirkung hin testeten, stellten sie Überraschendes fest: Entgegen den Erwartungen zeigte die Schicht bei mittlerer Moleküldichte eine eher enttäuschende Wirkung, war aber bei geringer oder sehr hoher Dichte der Moleküle extrem wasserabweisend. Messungen ergaben eine Reibung von nur 0,024 Mikronewton pro Millimeter. Ein Wassertropfen von rund 15 Mikrolitern würde dadurch schon bei einer Neigung der Oberfläche um 0,01 Grad abrutschen.
„Unseres Wissens nach ist dies damit die rutschigste je dokumentierte Oberfläche“, konstatieren die Forschenden. Das Erstaunliche daran: „Bei diesen beiden Extremen der Dichte ist die Oberfläche ziemlich homogen“, erklärt Lepikko. Gängiger Ansicht nach wirkt jedoch gerade eine heterogene Kontaktfläche besonders abweisend.
Neuartiger Mechanismus
Wie ist dies zu erklären? Nähere Analysen enthüllten, dass zwei Varianten eines neuartigen Mechanismus am Werk sind. Bei geringer Dichte der Moleküle können sich einzelne Wassermoleküle als dünner Film zwischen ihnen anlagern und bilden zusammen mit ihnen eine flache, hochgradig bewegliche Schicht. „Dieses interfaziale Wasser fungiert als Schmierschicht für den Tropfen und senkt die Reibung auf sehr niedrige Werte ab“, erklärt das Team. Als Folge perlen Wassertropfen gut ab.
Die zweite Variante kommt zum Tragen, wenn die Moleküle der Beschichtung dicht an dicht auf der Unterlage stehen. „Dann bleibt das Wasser obendrauf und perlt genauso leicht ab“, erklärt Lepikko. Die wasserabweisenden, beweglichen Enden der Moleküle verringern dann die Kontaktfläche mit dem Tropfen und blockieren die Anlagerung von Wassermolekülen an der Oberfläche. „Damit enthüllen diese Ergebnisse einen zuvor unbekannten und kontraintuitiven Mechanismus für die Glitschigkeit“, schreibt das Team. In beiden Fällen spielt die Beweglichkeit der Akteure eine Schlüsselrolle.
Vielseitige Anwendung denkbar
Nach Ansicht der Chemiker bieten ihre Erkenntnisse damit neue Ansätze für wasserabweisende Schichten in einem weiten Feld von Anwendungen – von der Mikrofluidik über Leitungen und Optik bis hin zur Luftfahrt. „Auch Dinge wie der Wärmetransfer in Rohren, die Enteisung und das Verhindern von beschlagenen Scheiben sind potenzielle Anwendungen“, sagt Lepikko. „Unser eigentlich den gängigen Regeln widersprechender Mechanismus ist ein neuer Weg, um Tropfenmobilität überall dort zu erhöhen, wo sie benötigt wird.“
Lepikko und seine Kollegen arbeiten bereits daran, ihre Antihaftschicht weiter zu optimieren. Denn noch ist sie nicht haltbar genug für eine praktische Nutzung. „Aber das Wissen um die grundlegende Wirkungsweise gibt uns die Chance, auf dieser Basis haltbarere Anwendungen zu entwickeln“, sagt Lepikko. (Nature Chemistry, 2023; doi: 10.1038/s41557-023-01346-3)
Quelle: Aalto University