Neuer Weltrekord: Forscher haben auf einem Supercomputer erstmals Rechnungen mit mehr als einer Trillion Gleitkommaberechnungen pro Sekunde durchgeführt. Dies ist ein neuer Rekord und der erste Vorstoß ins Exascale-Zeitalter der Rechnerleistungen. Erreicht wurde das Rekordtempo bei einer atomgenauen Struktursimulation des Spike-Proteins vom Coronavirus SARS-CoV-2. Inzischen hat auch die TOP500-Liste der schnellsten Supercomputer den ersten Exascale-Rechner: den „Frontier“-Supercomputer am Oak Ridge National Laboratory in den USA.
Die Rechengeschwindigkeit von Computern hat sich in den letzten Jahren rapide beschleunigt. 1997 schaffte ein Supercomputer erstmals ein Teraflop – eine Billion Gleitkommaoperationen pro Sekunde. 2008 wurde dann die nächste Schwelle von einer Billiarde Gleitkommaoperationen pro Sekunde geknackt – die Petaflop-Ära hatte begonnen. Seither läuft das weltweite Rennen um die nächste symbolträchtige Marke von einem Exaflop – eine Trillion Gleitkommaberechnungen pro Sekunde.
Rennen um den ersten Exascale-Rechner
„Die Dimension dieser Zahl wird deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Universum etwa 1018 Sekunden alt ist. Hätte ein Mensch seit dem Urknall jede Sekunde eine Rechnung ausgeführt, könnte ein Exascale-Rechner die gleiche Arbeit in einer einzigen Sekunde verrichten“, erklärt Christian Plessl vom Center for Parallel Computing (PC2) an der Universität Paderborn.
Wenn es um offizielle Messung und den Vergleich der Supercomputer-Leistung geht, wird ein Programm verwendet, das die Lösung eines sehr großen Gleichungssystems in sogenannter doppelter (64bit) Genauigkeit berechnet. „Aufgrund der hervorragenden Parallelisierungseigenschaften des Programms können Supercomputer einen sehr hohen Anteil der theoretisch maximal verfügbaren Rechenleistung nutzen“, erklärt Plessl.
Uppdate 31. Mai 2022: In der gerade veröffentlichen TOP500-Liste der schnellsten Supercomputer der Welt steht erstmals ein Exascale-Rechner: Der „Frontier“-Supercomputer am Oak Ridge National Laboratory in den USA hat in der offiziellen Benchmark 1,1 Exaflop erreicht.
Schneller dank spezieller Rechenverfahren
Aber ein Rechnen im Exaflop-Tempo war auch vorher schon möglich, wie das Team um Plessl mit ihrem Rekord bewiesen hat. Denn speziell für wissenschaftliche Simulationen werden Verfahren eingesetzt, die in besonderer Weise auf Schnelligkeit und Effizienz zugeschnitten sind. Ein solches Verfahren, die „Submatrix Methode zur genäherten Berechnung von Matrixfunktionen“, haben Plessl und der Chemiker Thomas Kühne von der Universität Paderborn speziell für die Simulation chemischer Systeme entwickelt.
Kern des Verfahrens ist ein Ansatz, bei dem viele unabhängige Berechnungen auf kleinen dichten Matrizen durchgeführt werden. „Genau diese Art von Operationen lassen sich mit sehr hoher Rechenleistung und Energieeffizienz auf besonders leistungsfähigen Supercomputern ausführen, die über GPU-Beschleunigerhardware verfügen“, erklärt Kühne. Bereits 2021 gelang dem Team damit ein Rekord für die größte Elektronenstruktur-basierte Molekulardynamik-Simulation.
Mit dem Spike-Protein zum Exaflop-Rekord
Für ihren aktuellen Rekord hat das Team die Methode weiter optimiert und sie auf dem Supercomputer „Perlmutter“ am NERSC-Rechenzentrum in den USA laufen lassen. Gegenstand der Simulation war diesmal die atomgenaue Simulation des Spike-Proteins des Coronavirus SARS-CoV-2. Anders als bei der offiziellen Rechner-Messung erfolgte dies mit gemischter 32/16bit-Präzision. Bei diesem Approximate Computing wird – vereinfacht ausgedrückt – mit ungefähren anstatt mit exakten Werten gearbeitet.
Bei dieser Simulation gelang es Pressl und Kühne erstmals, ein Exascale-Rechentempo zu erreichen. „Bei der Simulation haben wir im April unter Verwendung von 4.400-GPU-Beschleunigern die Exaflop-Schranke durchbrochen und im rechenzeitkritischen Teil der Anwendung 1,1 Exaflops in gemischter Präzision erzielt“, sagt Plessl. Die gesamte Simulation der 83 Millionen Atome dauerte nur 42 Sekunden. Dabei wurden etwa 47 mal 1018 Gleitkommaoperationen ausgeführt – ein neuer Weltrekord.
Offizielle Exascale-Schwelle fällt ebenfalls
Damit ist die Grenze zum Exaflop-Rechnen erstmals durchbrochen. „Aktuell stehen wir unmittelbar vor der Schwelle zum Exascale-Zeitalter“, erklärt Plessl. Mit dem ersten Exascale-Rechner in den Top500, dem „Frontier“-Supwercomputer des Oak Ridge Naional Laboratory in den USA, hat der erste Rechner diese Grenze nun auch offiziell geknackt.
Die Paderborner Wissenschaftler arbeiten schon an ihrem nächsten Coup: „Der Goldstandard für Atomistische Simulationen in der Chemie und Festkörperphysik ist die Methode der Dichtefunktional-Theorie. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Submatrix-Methode auch in diesem Bereich anwenden können“, so Kühne.
Quelle: Universität Paderborn