Hamburger Physiker haben erstmals ein funktionierendes Spintronik-Logik-Bauteil verwirklicht, das aus wenigen magnetischen Atomen aufgebaut ist. Wie das Wissenschaftsmagazin „Science“ berichtet, ist beim Schalten des realisierten logischen Oder-Gatters im Gegensatz zu herkömmlichen elektronischen Bauteilen kein Stromfluss nötig, da nur die magnetische Ausrichtung der Atome umgeschaltet wird.
Dieser spektakuläre Durchbruch im Bereich der Nano-Spintronik zeigt den Forschern zufolge auf, wie zukünftige Computerbausteine aussehen könnten: Atomar klein, bis zu 10.000 Gigahertz schnell und das fast ohne Stromverbrauch!
Vielversprechende Spintronik
Jeder Besitzer eines mobilen Computers kennt das Problem: Den leistungsfähigen Geräten geht oft viel zu schnell die Puste aus, da der Akku wie von Zauberhand schon wieder leer ist. Gerade aktuelle Smartphones sind davon betroffen, denn diese halten oft nur einen Arbeitstag durch, bevor sie dringend an die Steckdose müssen. Schuld daran sind die hellen Displays und die herkömmliche Halbleiter-Elektronik, die zur Datenverarbeitung die elektrische Ladung nutzt.
Da die Miniaturisierung von Halbleiter-Bauelementen bald an ihre Grenze stößt, wird schon lange nach einem neuen Konzept für Logik-Bauteile auf kleinstmöglicher Skala gesucht. Einen viel versprechenden Ansatz bietet die Spintronik. In dieser Technologie wird nicht nur die Ladung der Elektronen genutzt, sondern auch deren „Spin“.
Spin: Drehung der Elektronen um die eigene Achse
Dieser Elektronen-Spin ist eine quantenmechanische Eigenschaft und kann vereinfacht als Drehung der Elektronen um ihre eigene Achse verstanden werden. Diese Drehung erzeugt ein magnetisches Moment und daher kann man ein einzelnes Elektron stark vereinfacht als winzige Kompassnadel ansehen, die, je nachdem wie herum sich das Elektron dreht, nach Norden oder Süden zeigt.
Um ihr völlig neuartiges Nano-Spintronik-Bauteil zu verwirklichen, brachten die Physiker um Alexander Khajetoorians und Jens Wiebe von der Universität Hamburg Kobalt auf eine Kupferoberfläche auf. Dabei entstanden dreieckige Inseln, die aus circa 100 Kobalt-Atomen bestehen. Anschließend benutzten die Wissenschaftler die atomar scharfe Nadel eines sogenannten Rastertunnelmikroskops als Werkzeug, um zwei der Kobalt-Inseln mit Ketten aus einzelnen Eisen-Atomen zu verbinden.
Eisen-Atom als Ausgabe-Einheit
Wichtig war dabei, so die Forscher, dass die Eisen-Atome in definierten Abständen zueinander und zu den Kobalt-Inseln auf der Kupferoberfläche angeordnet wurden. Die beiden Kobalt-Inseln sind die Eingabe-Einheiten für die zu verarbeitenden magnetischen Informationen. In der Mitte des Spintronik- Bauteils, dort wo die beiden Ketten auf einander treffen, liegt nach Angaben der Wissenschaftler ein einzelnes Eisen-Atom, das als Ausgabe-Einheit dient und in Abhängigkeit von der Eingabe über die Kobalt-Inseln logisch geschaltet wird.
Der magnetische Zustand des Ausgabe-Atoms wird mit Hilfe der spinsensitiven Nadel des Rastertunnelmikroskops ausgelesen, die dafür mit einem magnetischen Material beschichtet wurde. Durch die definierten Abstände der Eisen-Atome zueinander und zu den Kobaltinseln nehmen die Spins der Atome einen anti-parallelen Zustand ein, das heißt die winzigen Kompassnadeln zeigen von Atom zu Atom in entgegen gesetzte Richtungen, so die Forscher.
Kompassnadeln spielen Domino
Ändern sie nun die magnetische Ausrichtung der beiden Eingabe-Inseln, dann richten sich die Spins der Eisen-Atome auch wieder anti-parallel zu den Inseln aus und ähnlich wie bei einem Dominospiel kippen die Kompassnadeln nacheinander um und passen sich der neuen Eingabe an. Das Ausgabe-Atom wird dabei logisch geschaltet.
Wie die Hamburger Wissenschaftler in einer früheren Arbeit bereits festgestellt hatten, erfolgt der Umschaltprozess eines der Spins in einer extrem kurzen Zeit von einem Zehnbillionstel einer Sekunde, was extrem schnelle Schaltfrequenzen der neuartigen Bauteile erwarten lässt.
Vorteile der Nano-Spintronik
Mit ihrer Studie konnten die Hamburger Forscher weltweit erstmalig die Vorteile der Nano-Spintronik auf atomarer Skala experimentell demonstrieren:
Höhere Energieeffizienz
Da für das Schalten der Nano-Spintronik-Bauteile kein elektrischer Strom benötigt wird, verbrauchen diese Bauteile erheblich weniger Energie als herkömmliche Halbleiterbauteile. Leistungsfähige Mobil-Geräte, die wochenlang nicht aufgeladen werden müssen, sind damit vorstellbar. Angesichts der globalen Verknappung von Energieressourcen stellt die Steigerung der Energieeffizienz von Computer-Prozessoren eine der wesentlichen Herausforderungen des Informationszeitalters dar.
Schnellere Bauteile
Deutlich höhere Taktfrequenzen machen heutigen Halbleiter-Systemen stark zu schaffen, da durch den Ladungstransport bei höheren Frequenzen mehr Abwärme produziert wird, die nicht nur zu einem hohen Energieverlust führt, sondern den Halbleiterschaltkreis auch zerstören kann. Da in dem von den Hamburger Forschern konzipierten Nano-Spintronik-Bauteil keine Ladung transportiert wird, gibt es keine thermischen Probleme und so sind Taktfrequenzen bis 10.000 Gigahertz vorstellbar.
Kleinere Bauteile
Da Nano-Spintronik-Bauteile nach Art der hier demonstrierten logischen Gatter aus wenigen Atomen aufgebaut werden können, sind sowohl deutlich kleinere als auch komplexere Bauteile möglich als mit der herkömmlichen Halbleiter-Technologie.
Nichtflüchtiger Speicher
Die Verwendung des Spins als Übermittler der Information hat einen weiteren Vorteil. Es bleiben alle Informationen auch nach dem Ausschalten eines Bauteils erhalten, da diese magnetisch und nicht elektronisch gespeichert sind. Das würde beim Starten eines Spintronik-Computers den langwierigen Bootvorgang überflüssig machen, das System würde einfach weiter machen, als wäre es nie ausgeschaltet worden. Außerdem sind nach Ansicht der Physiker neuartige Hybrid-Bauteile vorstellbar, die Speicher- und Rechenkomponenten enthalten. (Science, 2011; doi:10.1126/science.1201725)
(Sonderforschungsbereich 668, 06.05.2011 – DLO)