Forscher haben Nanopartikel entwickelt, die sich bei einer bestimmten Temperatur gezielt öffnen. Als Ventil fungieren dabei DNA-Moleküle, deren Temperatursensitivität über die Zahl ihrer Bausteine präzise reguliert werden kann. Das Konzept der programmierten Freisetzung lässt sich bei Medikamenten einsetzen, aber auch prinzipiell bei Waschmitteln und in der Industrie, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie online“.
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Medikamente müssen oftmals hoch dosiert verabreicht werden, weil auf dem Weg durch den Körper Wirkstoff verloren geht. Dies kann aber verstärkt zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Damit die Dosis eines Medikaments künftig so niedrig wie therapeutisch möglich gehalten werden kann, sollen die Wirkstoffe in Zukunft direkt zum Zielort im Organismus transportiert und dort erst freigesetzt werden.
Auf dem Weg zu intelligenten Nanopartikeln
Dafür sollen sie in Nanopartikel eingeschlossen werden, die ihre Fracht nur bei einem bestimmten pH-Wert, einer definierten Temperatur oder unter anderen spezifischen Bedingungen freigeben. Selbst feinste Sandkörner sind tausendmal größer als die porösen Silikatpartikel, die Wissenschaftler als Transportvehikel für medizinische und andere Wirkstoffe nutzen. Über zahlreiche Poren nehmen diese Teilchen, deren Durchmesser nur etwa 50 Nanometer beträgt, Wirkstoffe durch Diffusion relativ leicht auf. Diese Poren zu verschließen und für eine gezielte Freisetzung zu programmieren, erfordert aber einen hohen Forschungsaufwand.
„Die Kunst besteht darin, Partikel zu entwickeln, die sich ganz exakt auf nur eines dieser Signale hin öffnen und den Wirkstoff freisetzen – sich also entsprechend programmieren lassen“, sagt der Chemiker Professor Thomas Bein von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Ihm und seinen Mitarbeitern ist es in Zusammenarbeit mit dem Team von Thomas Carell nun gelungen, in wenigen Schritten Silikat-Partikel herzustellen, die sich je nach Bedarf bei einer bestimmten Temperatur öffnen.
DNA-Stücke als Ventil
Das Team um Bein nutzte dabei kurze doppelsträngige DNA-Stücke als Ventil. Denn die beiden Stränge des Moleküls trennen sich bei erhöhter Temperatur und lösen sich voneinander – ähnlich wie bei einem Reißverschluss. Besonders wichtig für die Chemiker war, dass diese Funktion präzise programmierbar ist: Je länger ein doppelsträngiges DNA-Stück ist, desto höher muss die Temperatur sein, um die beiden Stränge aufschmelzen zu lassen.
Im Versuch hafteten kurze doppelsträngige DNA-Moleküle auf der Oberfläche des Partikels. Dabei band aber nur einer der beiden Stränge – über ein kürzlich an der LMU entwickeltes Azid-Alkin-Bindeprinzip – an das Silikat. Der andere Strang dagegen trug am Ende nahe der Partikeloberfläche ein Biotin-Molekül.
Deckelöffnung per Knopfdruck
Nach Befüllen des Partikels bindet hieran ein Avidinprotein, das sich als Verschluss auf eine Pore des Silikat-Partikels legt. Erst wenn die DNA aufschmilzt, wird das Avidin von der Porenöffnung weggeschoben und die Freisetzung der Wirkstoffe ermöglicht. Versuchsreihen zeigten, dass DNA-Doppelstränge mit 15 Basenpaaren bei 45°C komplett aufschmelzen, während sich ein Molekül aus 25 dieser Bausteine erst bei 65°C öffnet.
„Damit können wir den Deckel quasi auf Knopfdruck öffnen“, sagt Bein. „Wir erwarten, dass die molekular programmierte Freisetzung von Wirkstoffen auf vielen Gebieten wie beispielsweise der gezielten Freisetzung von Medikamenten oder auch in Waschmitteln und in industriellen Prozessen Bedeutung erlangen wird.“
(idw – Universität München, 14.06.2010 – DLO)