Technik

Fedriger Vogeltrick kann Flugzeuge sicherer machen

Vogelflügel inspiriert effiziente Technik gegen den gefürchteten Strömungsabriss

Deckfeder-Modell im Windkanal
Diese dünnen Plastiklamellen ahmen im Windkanaltest die Deckfedern von Vogelflügeln nach. © Lori Nichols/ Princeton University

Von Vögeln abgeschaut: Der aerodynamische Effekt der Flügel-Deckfedern von Vögeln könnte Flugzeuge künftig sicherer machen. Denn diese nur passiv vom Luftstrom bewegten Federn erhöhen den Auftrieb und verhindern den Strömungsabriss bei steilen Fluglagen, wie Experimente im Windkanal zeugen belegen. Bei Modellflugzeugen verzögerten schon simple Deckfeder-Nachbildungen aus Plastiklamellen den „Stall“ und erhöhten den Auftrieb um 45 Prozent – ohne Energieaufwand oder zusätzliche Steuertechnik, wie das Team berichtet.

Ob Lilienthals Gleiter, da Vincis Ornithopter oder die ersten Motorflugzeuge: Schon die Pioniere der Luftfahrt schauten sich ihre Technik von den aerodynamischen Prinzipien der Vogelflügel ab – und dieses Vorbild ist bis heute maßgeblich. Davon zeugen beispielsweise die Form der Tragflächen, die ausfahrbaren Landeklappen oder die erst in jüngster Zeit ergänzten „Winglets“ an den Flügelenden: Sie alle finden sich in ähnlicher Form auch bei Vögeln.

Deckfedern und ihre Funktion
Deckfedern bei Vögeln (A), Nachbildung in einem Modell (B), Untersuchung der aerodynamischen Merkmale im Windkanaltest (C) und Übertragung des Prinzips auf ein Modellflugzeug (D). © Sedky et al./ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Wozu sind die Deckfedern gut?

Doch es gibt ein Merkmal der Vogelflügel, dessen genaue Funktion bisher ungeklärt blieb: die Deckfedern. Diese bedecken den vorderen Teil der Flügelober- und -unterseite und nehmen nicht aktiv an der Flugbewegung teil. Doch bei bestimmten Manövern werden dieser Federn passiv durch die Luftströmung aufgerichtet: „Bei einigen dieser Federreihen wurde beobachtet, dass sie sich während des Fluges aufstellen können, vor allem in Reaktion auf Luftstöße oder bei der Landung“, erklären Girguis Sedky und seine Kollegen von der Princeton University.

Um herauszufinden, ob die Deckfedern der Vogelflügel eine aerodynamische Funktion haben und welche, haben Sedky und sein Team dies im Windkanal untersucht. Dafür erstellten sie mehrere Modelle von Tragflächen, auf denen sie eine oder mehrere bewegliche, dünne Plastiklamellen einseitig an verschiedenen Positionen befestigten. Wie die Deckfedern konnte diese Nachbildungen passiv auf Luftströmungen reagieren und sich aufstellen oder anlegen.

„Die Windkanal-Experimente liefern uns präzise Messdaten dazu, wie die Luft mit diesen Flügelmodellen und ihren Klappen interagieren“, erklärt Sedky. „Dadurch können wir ermitteln, was dabei physikalisch passiert.“

Deckfeder-Modell
Flügelmodell mit Deckfeder-Lamellen. © Lori Nichols/ Princeton University

Passive Klappen erhöhen Auftrieb und Stabilität

Es zeigte sich: Obwohl sie nur passiv bewegt werden, beeinflussen die Deckfeder-Klappen das Flugverhalten und den Auftrieb des Flügels erheblich. Vor allem die im vorderen Flügelbereich angebrachten Plastiklamellen erhöhen den Auftrieb der Flügel und verringern die Reibung durch turbulente Strömungen an der Flügeloberfläche. Dadurch senken sie auch die Gefahr eines Strömungsabrisses bei steileren Anstellwinkeln des Flügels oder langsamer Fluggeschwindigkeit, wie die Forschenden ermittelten.

“Je mehr solcher Klappen man im vorderen Flügelteil anbringt, desto größer ist der positive Effekt“, erklärt Seniorautorin Aimy Wissa. Als besonders effektiv erwiesen sich daher Deckfeder-Klappen, die in zwei bis fünf Reihen hintereinander an der Flügeloberseite befestigt waren. „Die fünfreihige Version verbesserte den Auftrieb um 45 Prozent und verringerte die Reibung um 31 Prozent“, berichtet das Forschungsteam.

Genauere Analysen enthüllten, dass die Deckfedern über zwei verschiedene Mechanismen in die Luftströmungen um den Flügel eingreifen. Im vorderen Teil erzeugen die passiv beweglichen Lamellen eine Unterdruckzone unmittelbar vor ihnen, die für zusätzlichen Auftrieb sorgt. Im hinteren Teil blockieren die Klappen den Aufstrom von Luft, die dann den Auftrieb schwächen würde.

Modelflugzeug
Ferngesteuertes Modellflugzeug mit den passive beweglichen Deckfeder-Klappen (rot). © Lori Nichols/ Princeton University

Verzögerter Strömungsabriss auch am Modellflugzeug

Doch könnte diese neuentdeckte Funktion der Vogel-Deckfedern auch Flugzeugen nutzen? Um das herauszufinden, rüsteten Sedky und sein Team ein Modellflugzeug mit den passiv beweglichen Flügellamellen aus. Anschließend ließen sie das ferngesteuerte Flugzeug mehrere teils riskante Manöver in der Luft absolvieren, darunter auch Aufstiege in steilen Winkel, die zum gefürchteten Strömungsabriss führen können.

Tatsächlich zeigten die Deckfeder-Klappen Wirkung: Das ferngesteuerte Flugzeug lag stabiler in der Luft und ging erst später und weniger abrupt in den „Stall“: „Die Aktivierung der Deckklappen erhöht den maximal möglichen Steigwinkel und verzögert den Strömungsabriss, während sie gleichzeitig die Stabilität des Flugzeugs erhöhen“, berichten die Forschenden. Dadurch kam es seltener zu unkontrolliertem Sinkflug oder anderen potenziell gefährliche Situationen. „Diese Lamellen helfen Flugzeugen demnach, einen Strömungsabriss zu vermeiden, und machen es leichter, nach einem solchen Stall wieder die Kontrolle zu gewinnen“, erklärt Wissa.

Günstiges Naturpatent

Nach Ansicht der Forschenden könnten solche passiven Klappen daher eine simple und vergleichsweise günstige Methode sein, um die Sicherheit von Flugzeugen oder Flugzeugdrohnen zu erhöhen. Denn die nach dem Vorbild der Flügel-Deckfedern konstruierten Klappen benötigen weder eine aktive Steuerung noch Strom. „Sie sind einfach nur leichte, flexible Platten, die bei richtiger Form und Platzierung die Leistung und Stabilität eines Flugzeugs stark verbessern können“, sagt Wissa.

Wie die Forscherin erklärt, haben ihre Experimente damit gleich zwei Ergebnisse geliefert: Sie haben aufgeklärt, wozu die Deckfedern der Vogelflügel gut sind und sie haben einen neuen Weg aufgezeigt, um Flugzeuge zu verbessern. „Das ist die Macht bio-inspirierten Designs: Man kann Prinzipien von der Biologie auf die Technik übertragen, um unsere Systeme zu verbessern – aber wir können auch unsere Ingenieurswerkzeuge nutzen, um Fragen zur Biologie zu beantworten.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2409268121)

Quelle: Princeton University

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