
Das Funktionsprinzip des Roboterwurms. Druckluft stülpt das Hüllmaterial an der Spitze nach und nach aus. © Hawkes et al., Sci. Robot. 2, eaan3028 (2017)
Pneumatischer Antrieb
Möglich wird dies durch die spezielle Konstruktion des Roboters. Er besteht aus einer dünnen Hülle aus Kunststoffmaterial, die anfangs auf kleinem Raum in sich zusammengefaltet ist. Soll er sich bewegen, aktiviert sein Kontrollprogramm eine Pumpe, die nach und nach die Hülle nach vorne hin ausstülpt. „Die treibende Kraft ist dabei der Druck“, erklärt Hawkes.
Eine integrierte Kamera und Sensoren erlauben es dem Roboterwurm, seine Spitze dabei gezielt in die Richtung wachsen zu lassen, in die er will – oder in der der Weg frei ist. Das Entscheidende dabei: Der Roboter als Ganzes gleitet nicht, sondern er wächst einfach nur mit seiner Spitze dorthin, wo er hin soll. „Weil er nicht gleitet, kann der Roboter so selbst richtige enge Passagen überwinden“, sagt Hawkes.
Vom Kistenschlepper zum Höhlenforscher
Wie vielseitig der neuartige Roboter einsetzbar ist, demonstrieren die Forscher mit ersten Prototypen: In einem Versuch wuchs der Roboterwurm durch den engen Spalt unter einer Tür hindurch, in einem anderen hob er eine 100 Kilogramm schwere Kiste. Er wand sich problemlos durch ein enges Labyrinth und schleppte sogar ein Kabel mit, das er auf diese Weise verlegte. Auch freistrehend kann das Roboter in die Höhe wachsen.
In einem Hindernisparcours kroch der Roboter über klebriges Fliegenpapier, über spitze Nägel und sogar eine Eiswand hoch, um dann am Ziel erfolgreich einen Sensor zu deponieren. Selbst Beschädigungen seiner Hülle halten den Roboterwurm nicht auf: Die von spitzen Nägeln verursachten Löcher führten zu geringem Druckverlust, weil die Nägel einfach stecken bleiben und so die Löcher selbst versiegelten.
Der Roboterwurm kann verschiedenste Hindernisse überwinden und sogar frei in die Luft wachsen.© Stanford University
Viele Anwendungen
Der Nutzen eines solchen Roboterwurms liegt auf der Hand: Er könnte beispielsweise bei Katastropheneinsätzen Sensordaten und Kamerabilder aus den Trümmern liefern. „Anwendungen gibt es überall dort, wo sich ein Roboter durch unwegsames, unbekanntes Gelände bewegen muss und die Bedingungen unberechenbar sind“, erklärt Koautorin Laura Blumenschein. „Bei ihm muss man sich keine Sorgen machen, dass er sich beim Erkunden festgeklemmt oder beschädigt wird.“
Nützlich könnte der wachsende Roboter auch überall dort sein, wo Nachgiebigkeit und ein geringes Gewicht gefragt sind. Auch in direktem Kontakt zum Menschen könnte dieser Roboter agieren, ohne zur Verletzungsgefahr für seinen menschlichen Partner zu werden.
Verschiedene Größen und Antriebsformen
Ein weiterer Vorteil: Solche Roboter lassen sich in den verschiedenen Größen herstellen. Die Forscher haben bereits Versionen von weniger als zwei Millimetern Länge bis hin zu mehr als 70 Meter langen „Würmern“ konstruiert. As nächstes wollen sie Varianten entwickeln, die mit Hydraulikflüssigkeit statt Luft funktionieren. Zudem arbeiten sie an besonders reißfeste Hüllenmaterialien wie Nylon und Kevlar. (Science Robotics, 2017; doi: 10.1126/scirobotics.aan3028)
(Stanford University / University of California, 24.07.2017 – NPO)
24. Juli 2017