Ein supraleitendes Material, das wie ein Sandwich von magnetischen Schichten umschlossen ist, lässt sich mit der Magnetorientierung schalten: Die Temperatur, ab der es supraleitend wird, ändert sich mit der Orientierung der beiden Magnetschichten. Diese Tatsache, die schon 1999 theoretisch vorhergesagt wurde, konnten Bochumer Physiker jetzt mittels detaillierter Experimente erstmals nachweisen.
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Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „The Physical Review Letters“ der American Physical Society berichten ist bei antiparalleler Orientierung der Magnetisierung die Sprungtemperatur hoch; sie fällt bei paralleler Orientierung.
Supraleitung und Magnetismus
Supraleitende Materialien verlieren unterhalb einer bestimmten Temperatur sprunghaft ihren elektrischen Widerstand und heben magnetische Felder auf. Die Temperatur, ab der dieser Effekt eintritt, wird Sprungtemperatur genannt. Supraleitung und Magnetismus sind gegensätzliche Eigenschaften von Metallen: Entweder zeigen sie supraleitende oder magnetische Eigenschaften, keinesfalls aber beide gleichzeitig.
Mit modernen Aufdampfverfahren kann man allerdings beide Metallarten in direkten Kontakt bringen und so zum Beispiel eine Sandwich-Struktur aus Ferromagnet-Supraleiter-Ferromagnet herstellen, die etwa für den Quantencomputer wichtig sein kann. Die beiden Schichten befinden sich dann in Konkurrenz: Die magnetische Schicht versucht die Supraleitung zu unterdrücken. Ist die magnetische Schicht mehr als einen Nanometer dick, „gewinnt“ sie. Bei einer magnetischen Schichtdicke von weniger als einem Nanometer wird die Supraleitung noch nicht vollständig unterdrückt.
„Aber die Sprungtemperatur hängt von der Orientierung der Magnetisierung ab“, erklärt Professor Kurt Westerholt von der Ruhr Universität Bochum (RUB). „Sind beide Schichten gleichgerichtet, d.h. in beiden Schichten zeigen Nord- und Südpol in die gleiche Richtung, dann ist die Sprungtemperatur kleiner als bei antiparalleler Stellung, d.h. wenn Nord- und Südpol in den beiden Schichten entgegen gesetzt ausgerichtet sind.“
Neuer supraleitender Schalter
Theoretische Vorhersagen besagten also, dass wenn es gelänge, von der parallelen zur antiparallelen Orientierung der Magnetisierung umzuschalten, die Sprungtemperatur des Supraleiters empfindlich darauf reagieren müsste. Diesen Effekt konnten die Forscher jetzt erstmals mit einer supraleitenden Vanadiumschicht zwischen zwei atomaren Eisenschichten experimentell überprüfen: Die Sprungtemperatur veränderte sich beim Umschalten der magnetischen Orientierung um acht Prozent.
„Das ist zwar noch klein für technische Anwendungen, aber durch weitere Optimierung der Schichtdicken, der Grenzflächen zwischen Supraleiter und Ferromagnet und der Wahl der Materialen ist eine Steigerung des Effekts in Zukunft zu erwarten“, meint Westerholt.
Theorie und Kollaboration
Der Einfluss von Ferromagneten auf die Supraleitung wird am Lehrstuhl für Experimentalphysik seit vielen Jahren untersucht. Dazu dienen hoch präzise Herstellungsmethoden der Schichtsysteme auf der Nanoskala. Aus der Kollaboration mit dem RAS Physico-Technical Institut in Kazan (Russland) ist die Idee entwachsen, supraleitende Schalter zu bauen.
Professor Lenar Tagirov von der Kazan State University hat dafür die theoretischen Grundlagen gelegt. „Die Realisierung ist äußerst aufwendig“, beschreibt Professor Zabel. „Die besondere Herausforderung liegt in der Herstellung von Grenzflächen zwischen Supraleitern und Ferromagneten, die auf eine atomare Monolage präzise ist.“ Diese Herausforderung wurde schließlich zusammen mit einer Forschergruppe in Uppsala (Schweden) unter der Leitung von Professor B. Hjövarsson gemeistert.
(idw – Ruhr-Universität Bochum, 22.12.2005 – DLO)