Für ein neues System zum Aufspüren von Störzonen im Gestein beim Tunnelbau haben gestern Rüdiger Giese und sein Team vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) den „Technologietransferpreis 2008“ der Technologie Stiftung Brandenburg erhalten.
Das Neue an ISIS (Integriertes Seismisches Imaging System) ist, dass keine Sondierungssprengungen mehr erforderlich sind und dass das System während der laufenden Tunnelbohrarbeiten eingesetzt werden kann. Damit wird der Tunnelbau sicherer, schneller und effizienter.
ISIS ermöglicht Vorhersage der geologischen Gebirgseigenschaften
Tunnelbau ist trotz allen Fortschritts immer noch ein technisch und wirtschaftlich riskantes Unterfangen. Die größten Unwägbarkeiten liegen darin, dass eine genaue Vorerkundung des Gesteins erforderlich ist, in das die Tunnelbohrmaschine hineinbohren will. Zur Untersuchung des Gesteins vor der Tunnelbohrmaschine benutzt man üblicherweise seismische Verfahren: man zündet eine kleine Sprengladung und wertet die Ausbreitung der Schallwellen der Explosion aus.
Dazu muss aber die Tunnelbohrmaschine gestoppt und die Bohrarbeit unterbrochen werden – bei Kosten von rund 100 Millionen Euro für eine solche Maschine ein erheblicher Kostenfaktor. Und genau hier setzt ISIS an. Das System ermöglicht die Vorhersage der geologischen Eigenschaften des Gebirges im Vorfeld und Umfeld einer so genannten Tunnelauffahrung, ohne den Baubetrieb nennenswert zu behindern – ähnlich wie beim Ultraschall in der Medizin.
Hochauflösendes seismisches Abbild des Gebirges
„Die Idee besteht darin, die Tunnel-Anker zu verwenden, um damit einen Mess-Aufbau von seismischen Dreikomponenten-Empfängern antennenartig so zu installieren, dass ein hochauflösendes seismisches Abbild des Gebirges während der Auffahrung möglich wird“, erklärt Giese. „Als Empfänger dienen kleine Erdmikrophone (Geophone), die in die Spitzen der Felsanker eingesetzt werden. Damit können die unterschiedlichen seismischen Wellen hochempfindlich erfasst werden. Die Daten geben uns Auskunft über Wechsel in den Gesteinen und eventuelle wasserführende Lagen.“
Die Anker werden in metertiefen Bohrlöchern verklebt. Sie können vom Tunnel strahlenförmig ausgehen oder in Vortriebsrichtung gesetzt sein. Die seismischen Impulse erzeugen die Wissenschaftler und Ingenieure mit einem pneumatischen Schlaghammer oder einer elektromagnetischen Vibrationsquelle, wobei die Impulse sich in vorgegebene Richtungen abstrahlen und in Sekundenabständen wiederholen lassen. Und das Beste daran: Alles kann während der laufenden Tunnelbohrarbeiten geschehen.
Einsatz am St. Gotthard und am Loch Ness
Angewendet wurde das System bereits beim Bau des neuen St. Gotthard-Basistunnels und beim Tunnelbau in Nessies Heimat Loch Ness. „Wir freuen uns, dass mit der Herrenknecht AG der Weltmarktführer im Tunnelbau als Partner zur Markteinführung des Systems ISIS gewonnen werden konnte. Das ist auch der hervorragenden Arbeit des Teams um Herrn Giese zu verdanken. Ich gratuliere von Herzen zu diesem Preis“, sagte Professor Reinhard Hüttl, der Vorstandsvorsitzende des GFZ bei der Übergabe des Preises. Das System wird in der „Langen Nacht der Wissenschaften 2008“ am 14. Juni 2008 auf dem GFZ-Campus vorgestellt.
(GFZ Potsdam, 12.06.2008 – DLO)