Es klingt unglaublich: Ein „Unsichtbar“-Strahl könnte künftig Objekte verschwinden lassen – ganz ohne komplexe Linsen oder Metamaterialien. Diese Tarnkappe funktioniert, indem sie die Lichtstreuung am Objekt durch punktgenaue „Gegenstrahlung“ ausgleicht. Dadurch scheint das Licht ungestört durch das Objekt hindurchzustrahlen und dieses wird unsichtbar. Die theoretische Basis für diesen Tarnkappen-Trick haben Forscher bereits entwickelt, als nächstes soll nun ein Experiment folgen.
Tarnkappen sind keineswegs Science-Fiction, sondern bereits Realität – zumindest im Labormaßstab: Meist lenken dabei exotische Metamaterialien das Licht so um ein Objekt herum, dass es zu verschwinden scheint. Sogar einen „Tarnmantel“ wie bei Harry Potter haben Wissenschaftler damit bereits konstruiert. Aber auch mit speziellen Anordnungen von Linsen oder durch besondere Resonanzeffekte kann man Objekte unsichtbar machen.
Verräterische Streuung
Eine weitere Tarnkappen-Technik haben nun Konstantinos Makris von der Universität Kreta und seine Kollegen entwickelt. Bei dieser werden weder Linsen noch Metamaterialien benötigt, sondern nur ein zusätzlicher Lichtstrahl. Dieser bestrahlt ein undurchsichtiges Material von oben oder unten mit einem ganz bestimmten Wellenmuster – und schon wird es für einen zweiten Lichtstrahl unsichtbar.
Wie aber ist das möglich? Der Knackpunkt ist die Streuung des Lichts: „Komplexe Materialien wie etwa ein Stück Würfelzucker sind undurchsichtig, weil die Lichtwellen in ihnen unzählige Male abgelenkt und gestreut werden“, erklärt Koautor Stefan Rotter von der TU Wien. „Das Licht kann zwar eindringen und irgendwo wieder herauskommen, aber die Lichtwelle kann sich nicht geradlinig durch das Medium hindurchbewegen. Stattdessen wird sie chaotisch in alle Richtungen gestreut.“
Ausgetrickstes Licht
Seit Jahren gibt es verschiedene Versuche, diese Wellenstreuung zu überlisten, beispielsweise mit Metamaterialien oder Objekten, die von sich aus Licht abstrahlen: Wenn ein Bildschirm nach vorne genau das Licht aussendet, das er auf der Rückseite absorbiert, dann erscheint er unsichtbar – zumindest, wenn man ihn aus dem richtigen Winkel betrachtet.
Doch damit wollte sich das Forscherteam nicht zufriedengeben: „Wir wollten die Lichtwelle nicht umleiten oder mit Zusatz-Displays wiederherstellen, sondern die ursprüngliche Lichtwelle auf geradem Weg durch das Objekt steuern, so als wäre das Objekt gar nicht da“, sagt Rotters Kollege Andre Brandstötter. „Das klingt merkwürdig, doch mit bestimmten Materialien und unserer speziellen Wellentechnologie ist das möglich.“
Wellenmuster gleicht Materialbrechung aus
„Der entscheidende Trick ist, dem Material punktgenau Energie zuzuführen und an anderen Stellen Absorption zu erlauben“, erklärt Makris. „Von oben wird genau das richtige Punktmuster auf das Material gestrahlt.“ Passt dieses Muster zu den inneren Unregelmäßigkeiten im Material, an denen normalerweise das Licht gestreut wird, kann man dadurch die Streuung praktisch ausschalten. Ein senkrecht dazu verlaufender Lichtstrahl kann dann ungehindert und verlustfrei durch das Material gelangen.
Das Prinzip ist für ganz unterschiedliche Arten von Wellen anwendbar – nicht nur für Licht, sondern etwa auch für Schallwellen. Einzige Voraussetzung: „Jedes Objekt, das man durchsichtig machen will, muss mit einem eigenen Punktmuster bestrahlt werden – abhängig von der mikroskopischen Streuung in seinem Inneren“, erklärt Rotter. Er und seine Kollegen haben daher eine Methode entwickelt, mit der man das jeweils passende Muster ermitteln kann.
Experiment ist schon in Vorbereitung
Dass ihre neuartige Tarnkappe funktioniert, haben die Forscher jetzt in physikalischen Modellen und in Computersimulationen demonstriert. Jetzt soll die Idee experimentell umgesetzt werden. Sollte das gelingen, könnte diese Technik ganz neue Möglichkeiten der aktiven Camouflage eröffnen.
Stefan Rotter ist zuversichtlich: „Wir sind bereits im Gespräch mit Forschungsgruppen, mit denen wir das technisch umsetzen möchten. In einem ersten Schritt ist es wahrscheinlich einfacher mit Schallwellen anstatt mit Licht zu arbeiten – aus mathematischer Sicht spielt dieser Unterschied keine erhebliche Rolle.“ (Light: Science and Applications, 2017; doi: 10.1038/lsa.2017.35)
(Technische Universität Wien, 18.09.2017 – NPO)