Eine Folie aus nur einem einzigen Kristall: Forscher haben eine verblüffend simple Methode entwickelt, um normale, polykristalline Metallfolien in wertvolle Einkristalle umzuwandeln. Dabei werden die senkrecht aufgehängten Folien auf Temperaturen knapp unter dem Schmelzpunkt erhitzt – das löst die Gittergrenzen auf, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Im Experiment erzeugten sie so hochgeordnetes Kupfer, Nickel oder Platin von bis zu 30 Zentimetern Größe.
Die meisten Feststoffe sind Kristalle: Ihre Atome oder Moleküle bilden regelmäßige Gitterstrukturen und prägen damit einen Großteil der Materialeigenschaften. Doch nicht immer sind die Kristallgitter durchgängig: Gerade bei Metallen bilden sich oft sogenannte Korngrenzen aus. Weil das Material nicht einheitlich kristallisiert, entstehen Bereiche mit unterschiedlich ausgerichtetem Kristallgitter. Das Metallstück wird dadurch polykristallin.
Einbußen durch Korngrenzen
Das Problem dabei: „Polykristalline Metalle haben viele Korngrenzen, was ihre elektrischen und mechanischen Eigenschaften beeinträchtigt“, erklären Sunghwan Jin vom koreanischen Institut für Grundlagenforschung und seine Kollegen. So hat beispielsweise ein Kupfer-Einkristall eine bessere Leitfähigkeit als polykristallines Kupfer. Bei Stahl spielt die Kristallstruktur eine entscheidende Rolle für die Festigkeit und Biegsamkeit.
Doch einkristalline Metallstücke oder Folien herzustellen, ist bisher sehr aufwändig: Sie müssen aus winzigen Saatkristallen gezüchtet werden oder als Dünnfilm auf einkristalline Unterlagen aufgebracht werden. „Diese Methoden aber führen nur zu kleinen und sehr teuren Metall-Einkristallen“, so die Forscher.
Umwandeln statt neuzüchten
Jin und seine Kollegen haben daher einen anderen Ansatz gewählt: Sie beseitigen mit ihrer Methode die Korngrenzen, indem sie Umlagerungen der Gitterbereiche im Kristallgitter erzwingen. Dafür wird eine dünne, normal polykristalline Metallfolie senkrecht aufgehängt und dann bis auf knapp unter den Schmelzpunkt des Metalls erhitzt. Der gleichmäßige Zug der Schwerkraft und die Hitze führen dann dazu, dass die Korngrenzen verschwinden.
Im Experiment testeten die Forscher diese Methode mit Folien aus Kupfer, Nickel, Kobalt, Platin und Palladium. Bei Kupfer beispielsweise wurde die Folie dafür an Quarzständern aufgehängt und in einem Ofen mit Wasserstoff-Argon-Atmosphäre mehrere Stunden lang auf 1.050 Grad erhitzt. Zum Vergleich: Der Schmelzpunkt von Kupfer liegt bei 1.085 Grad.
Glut vereinheitlicht das Kristallgitter
Das Ergebnis: Aus den zuvor polykristallinen Kupferfolien wurde Einkristalle von bis zu 32 Quadratzentimeter Größe. Auch bei Nickel und Kobalt gelang auf diese Weise die Umwandlung von polykristallinen zu einkristallinen Folien. Wie die Forscher feststellten, wuchsen bei der Umwandlung die einzelnen Gitterbereiche nach und nach an, bis schließlich ein einheitlicher Gittertyp in der gesamten Folie vorherrschte.
Bei Platin und Palladium nutzten die Wissenschaftler statt des Ofens elektrische Strom als Heizmethode, weil diese Metalle einen höheren Schmelzpunkt besitzen. Aber auch damit erzeugten sie erfolgreich Einkristalle. „Solange die mechanische Deformation während des Glühens minimiert wird, müsste diese Methode auch für Folien aus anderen Metallen funktionieren“, sagen Jin und seine Kollegen. „Unsere Ergebnisse sprechend zudem dafür, dass auch die Produktion von Einkristall-Metallfolien im industriellen Maßstab damit möglich ist.“
Viele Anwendungen
Nützlich wären solche großen und günstig herstellbaren Einkristall-Folien in vielen Bereichen, wie die Forscher betonen. In der Elektronik würde dies beispielsweise leitfähigere Bauteile ermöglichen. Aber auch für die Herstellung von Hightech-Materialien wie Graphen, Bornitrid oder Diamanten wären diese Folien geeignet. Denn auf ihnen als Unterlage lassen sich defektfreie Schichten und Kristalle dieser Stoffe züchten.
„Jetzt, wo solche günstigen Einkristall-Metallfolien verfügbar werden, sind wir sehr gespannt, wie sie in der Wissenschafts- und Ingenieurs-Gemeinschaft genutzt werden“, sagt Jins Kollege Rodney Ruoff. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aao3373)
(Institute for Basic Science, 22.10.2018 – NPO)