Physik

Elektronen aus dem Schwarm gepickt

Forscher kontrollieren mit Lichtblitzen einzelne Elektronen in Molekülen

Aufbau zur Messung der Kontrolle einzelner Elektronen in Molekülen mit ultrakurzen Laserpulsen: die Wellenform der Laserpulse wird mittels zweier Glaskeile eingestellt. Die Laserpulse wechselwirken mit den Molekülen in einem Velocity-Map Imaging (VMI) Spektrometer, in dem die entstehende Verteilung von Ionen (hier C+ Ionen) nach dem Auseinanderbrechen des Moleküls auf einen Detektor (rechts) abgebildet wird. Das Bild auf dem Detektor zeigt eine oben-unten Asymmetrie entlang der senkrechten Polarisationsachse des Lasers. Die Orbitalsymmetrie der ionisierten Orbitale des CO wird in der Winkelverteilung anhand der 45° Keulen deutlich, die mittels der theoretischen Berechnungen vorhergesagt werden kann (schwarze Linie). © Christian Hackenberger / LMU

Einem deutsch-niederländischen Physikerteam ist es erstmals gelungen, einzelne Elektronen in einem Vielteilchensystem mithilfe von Laserpulsen zu kontrollieren. Sie berichten über ihre Experimente in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“.

Raubfischen ist das Problem wohlbekannt: In einem Schwarm von kleinen Fischen ist es schwierig eine Beute herauszulösen. Ähnlich verhält es sich im Kosmos von Atomen und Molekülen, deren Verhalten und Eigenschaften von Schwärmen von Elektronen beeinflusst werden.

Ultraschnelle Zeitgenossen

Elektronen sind ultraschnelle Zeitgenossen. In Atomen und Molekülen bewegen sie sich innerhalb von Attosekunden. Eine Attosekunde dauert dabei nur ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde. Eine gezielte Kontrolle über diese Teilchen kann man mit Lichtpulsen erlangen, die nur wenige Femtosekunden bis hin zu Attosekunden dauern und somit mit ihnen auf der Zeitskala der Elektronenbewegung wechselwirken. Die kurzen Pulse verfügen über starke elektrische und magnetische Felder, die die geladenen Teilchen beeinflussen. Eine Femtosekunde dauert dabei 1.000 mal länger als eine Attosekunde.

Bei Molekülen mit nur einem Elektron, wie etwa beim Deuterium-Molekül-Ion, gestaltet sich diese Kontrolle durch die Lichtblitze noch relativ leicht. Das hat ein Team um Professor Marc Vrakking und Matthias Kling vom Institute for Atomic and Molecular Physics (AMOLF) in Amsterdam in Zusammenarbeit mit Professor Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching und der Universität München (LMU) bereits im Jahr 2006 gezeigt.

Blick in den Mikrokosmos der Kohlenstoffmoleküle: Nachdem Femtosekunden-Laserpulse aus den Kohlenstoffmolekülen einzelne Elektronen herausgelöst haben, entsteht eine charakteristische Ausrichtung der Moleküle. Diese Ausrichtung zeigt die Struktur der Orbitale aus denen die Elektronen aus den Molekül-Ionen austreten. Mit Hilfe eines Detektors lässt sich bestimmen wie die Molekül-Ionen ausgerichtet sind. Die Anzahl der beobachteten Ionen ist farblich dargestellt. Rot und Gelb lassen auf eine hohe Dichte schließen, blau auf eine niedrige. © Matthias Kling

Laser steuern Elektronen

Nun haben die Wissenschaftler um Kling, Vrakking und Professor Regina de Vivie-Riedle von der LMU zum ersten Mal die Kontrolle über einzelne, negativ geladene Elementarteilchen in einem Elektronenverbund mithilfe von Licht erlangt. Ihnen ist es gelungen, die äußeren Elektronen in der Valenzschale des komplexeren Moleküls Kohlenstoffmonoxid (CO) mithilfe starker elektrischer Felder von Laserpulsen zu steuern und zu beobachten. Das Molekül Kohlenstoffmonoxid verfügt über 14 Elektronen. Mit zunehmender Anzahl von Elektronen in einem Molekül wird die Kontrolle über einzelne Elektronen erschwert, da ihre möglichen Energiezustände sehr dicht liegen.

Die Wissenschaftler verwendeten für ihre Versuche Laserpulse im nahen Infrarotbereich (740 Nanometer) und von vier Femtosekunden Dauer. Die Kontrolle wurde experimentell über die asymmetrische Verteilung von C+ bzw. O+ Fragmenten nach dem Aufbrechen der Bindung nachgewiesen. Die Messung von C+ und O+ Fragmenten bedeutet eine dynamische Ladungsverschiebung entlang der Molekülachse in die eine bzw. andere Richtung, gesteuert durch den Laserpuls.

Elektronenbewegung an die Kernbewegung gekoppelt

Sobald der Femtosekunden-Laserpuls mit den CO-Molekülen wechselwirkte, löste er ein Elektron aus dem Verbund heraus. Anschließend kollidierte das Elektron wieder mit dem Ion und gab dabei seine Energie ab. Der gesamte Vorgang dauerte etwa 1,7 Femtosekunden. „Bei der Rekollision wurde ein elektronisches Wellenpaket erzeugt, das nun eine gerichtete Bewegung der Elektronen entlang der Molekülachse induziert“, berichtet de Vivie-Riedle. „Durch die Anregung und die Wechselwirkung mit dem Rest des intensiven Laserpulses wird diese Elektronenbewegung an die Kernbewegung gekoppelt und liefert einen Beitrag zur beobachteten Asymmetrie“, erklärt Kling.

Bei ihren Experimenten konnten die Physiker zudem die Elektronenstruktur und Form der äußersten zwei Orbitale des Kohlenstoffmonoxids durch die Ionisation mit den Lichtpulsen abbilden. Die extreme Kürze der Femtosekunden-Laserpulse ermöglichte es den Wissenschaftlern, die Vorgänge in den äußeren Orbitalen zu erkunden. Dabei zeigte sich, dass die Ionisation der Moleküle winkelabhängig zum Einfall des Lichtpulses stattfand. Diese Beobachtung steht im Einklang mit den theoretischen Berechnungen und liefert ebenfalls einen Beitrag zur beobachteten Asymmetrie. Die Wissenschaftler zeigten auch, dass die Asymmetrie der Ionisation von der Länge der Laserpulse abhängt.

Ziel: Chemische Reaktionen mit Licht beeinflussen

Mit ihren Versuchen und Berechnungen haben die Garchinger und Münchener Forscher ein wichtiges Vorhaben umgesetzt, das sie sich im Projekt „Munich Centre for Advanced Photonics“ (MAP) vorgenommen haben. Ziel war es, in einem Vielelektronensystem Kontrolle über einzelne Elektronen zu erlangen und diesen Vorgang zu beobachten. Elektronen sind in jeden lebenswichtigen, mikroskopischen Prozessen, genauso wie in der Technik allgegenwärtig. Ihre blitzschnellen Bewegungen innerhalb von Attosekunden bestimmen die biologischen und chemischen Prozesse, wie auch die Geschwindigkeit der Mikroprozessoren, das Herzstück von Computern.

Mit ihren Experimenten haben die Forscher somit einen weiteren, wichtigen Schritt getan, künftig chemische Reaktionen mit Licht zu beobachten und zu beeinflussen. In der so genannten Lichtwellenelektronik führt die Grundlagenforschung hin zu ultraschnellen Rechenvorgängen in Computern im Bereich von wenigen Attosekunden.

(idw – Universität München, 02.09.2009 – DLO)

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