Physikalischer Meilenstein: Forschern ist ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg zu neuen Basiseinheiten der Physik gelungen. Sie konnten das Ampere – die Einheit für die Stromstärke – genauer messen als je zuvor. Diese Messung per Einzelelektronen-Pumpe ebnet den Weg zur Neudefinition des Ampere über die Elementarladung des Elektrons. Für künftige Nanoelektronik ist dies wichtig.
Die Welt der Physik ist im Umbruch: Bis 2018 wollen Wissenschaftler alle physikalischen Basiseinheiten auf ein solides, unveränderliches Fundament stellen – die Naturkonstanten. Für die Einheiten Meter und Sekunde ist dies schon gelungen, Kelvin, Kilogramm, Mol und Ampere sind noch in Arbeit. Die Schwierigkeit dabei: Es muss eine geeignete Referenzgröße gefunden werden – und die Möglichkeit, diese Referenz zu messen.
Die Masse macht es ungenau
Das Ampere, die Einheit für die Stromstärke, ist bisher über einen hypothetischen Versuchsaufbau und die Lorentzkraft zwischen zwei Stromleitern definiert: Ein Ampere entspricht der Stromstärke, die beim Fließen durch zwei unendliche, parallele Leiter zwischen diesen einen Meter voneinander entfernten Leitern genau 20 Millionen Newton (2×10-7 N) Kraft ausüben würde.
Das Problem dabei: Diese Definition ist eng mit der Masse verknüpft, denn um diese Kraft zu messen, benötigt man Vergleichsgewichte. Gerade für die Masse jedoch gibt es bisher nur eine vergleichsweise ungenaue, noch nicht auf Naturkonstanten basierende Referenz: das Ur-Kilogramm in Paris. Das schränkt auch die Bestimmungsgenauigkeit des Ampere erheblich ein – und verknüpft zudem eine elektrische Größe mit einer mechanischen.
Elektronenzählen statt Kraftmessen
Um das zu ändern, soll das Ampere künftig über die Elementarladung e definiert werden – der kleinsten möglichen Ladung eines Teilchens, beispielsweise eines Elektrons. Diese Ladung ist bestimmt als e= 1,6021766208 x 10−19 Coulomb. Über die Formel Coulomb = Ampere mal Sekunde ist diese Ladung eng mit der Stromstärke verknüpft.
Praktisch bedeutet dies: Das Ampere kann bestimmt werden über das Zählen von Elektronen, die pro Zeiteinheit durch einen Leiter fließen. Dafür allerdings benötigt man ein System, das den kontrollierten Transport von einzelnen Elektronen ermöglicht und vor allem messbar macht – eine Einzelelektronen-Pumpe.
Zahnrad für Elektronen
Um diese Messung zu ermöglichen, arbeiten Physiker weltweit an zwei Typen von Einzelelektronen-Pumpen. Beide nutzen Potenzialbarrieren – Hürden, die die Elektronen nur unter bestimmten Bedingungen überwinden können. Wie eine Art Zahnrad, in deren Zahnsenken jeweils nur ein Elektron passt, vereinzeln diese Pumpen die Teilchen und versetzen sie gleichzeitig in einen bestimmten Energiezustand.
Nicht einfach ist es allerdings, diese Pumpen so anzulegen, dass sie einerseits korrekt genug arbeiten und immer nur genau ein Elektron im Tal liegt, und andererseits den fließenden Strom auch messbar machen. Eine Lösung für die Pumpfehler gibt es schon: Man schaltet mehrere Pumpen hintereinander und spezielle Detektoren erkennen, ob zu viele oder zu wenige Elektronen das Tal verlassen.
Genauer als je zuvor
Für das zweite Problem haben nun Physiker der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig eine Lösung gefunden. Durch einen neuartigen Verstärker und zwei quantenmetrologischen Verfahren ist es ihnen gelungen, kleine Stromstärken mit weltweit unübertroffener Genauigkeit zu messen. Die Unsicherheit lag bei weniger als 10-7 und damit unterhalb der mit den alten Methoden erzielten Werte.
„Dabei wurde die Einzel-Elektronenpumpe zwar noch ohne Korrektur betrieben, aber durch die Messung wissen wir jetzt, dass die Fehler in der Tat so klein sind, dass das Korrekturverfahren auch mit schnellen Pumpen funktionieren sollte“, sagt Franz Ahlers von der PTB. „Das ist ein echter Meilenstein auf dem Weg zum neuen SI.“ Der für 2018 geplanten Neudefinition steht somit aus „elektrischer Sicht“ kaum noch etwas im Wege.
Weil es durch die Neudefinition nur zu sehr kleinen Änderungen bei den elektrischen Einheiten kommt, werden wir im Alltag von der Revision des SI nichts mitbekommen. Anders sieht es beispielsweise im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik oder der Medizin- und Umweltmesstechnik aus. Dort ermöglicht das neue Ampere die deutlich genauere Kalibrierung von Messinstrumenten.
(Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), 28.11.2016 – NPO)