Das Innere unseres Planeten ist möglicherweise weicher als bisher gedacht. Das zeigt eine neue, jetzt in „Science“ veröffentlichte Studie. Sie weist ungewöhnliche elektronische Eigenschaften des Gesteins im unteren Erdmantel nach, die seismische Wellen abbremsen und damit bisherige Messungen verfälscht haben könnten.
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Da kein Gerät der Welt in das Innere der Erde hinabtauchen kann, um vor Ort Messungen anzustellen, sind Geowissenschaftler darauf angewiesen, seismische Wellen als Werkzeug zu nutzen. Aus kleinen Veränderungen der Welleneigenschaften und -Geschwindigkeiten schließen sie auf die Beschaffenheit der tiefer liegenden Schichten der Erde. Jetzt allerdings hat Alexander Goncharov von der Carnegie Institution Eigenschaften des unteren Mantels entdeckt, die die Aussagekraft der traditionellen Methoden in Frage stellen.
Spin-Übergang verändert Leitfähigkeit
Der untere Mantel reicht von 660 bis etwa 2.900 Kilometer Tiefe und beginnt über dem äußeren Erdkern. Der Druck liegt hier beim 230.000- bis 1,35 Millionenfachen des atmosphärischen Drucks an der Oberfläche, die Temperatur erreicht 1.500 bis 3.700 Grad Celsius. Unter diesen Extrembedingungen nimmt die Materie Zustände ein, die es an der Erdoberfläche nicht gibt, dazu gehören die Mineralformen Ferropericlase und Perovskit.
In vorherigen Studien hatten Forscher bereits festgestellt, dass die äußeren Elektronen der Ferropericlase unter dem extremen Druck im unteren Mantel dazu gezwungen werden, sich zu Paaren zu verbinden und damit eine so genannte Spin-Übergangszone zu bilden.
„Wenn ungepaarte Elektronen – im so genannten High-Spin-Zustand – zur Paarbildung gezwungen werden, gehen sie in den Low-Spin-Zustand über“, erklärt Goncharov. „Und wenn das geschieht, ändern sich die Leitfähigkeit, die Dichte und die chemischen Eigenschaften des Minerals. Aber noch wichtiger für die Seismologie ist, dass sich auch die akustischen Eigenschaften, die Weiterleitung von Schallwellen, ändern.“
Schallwellen verlangsamt
Die Wissenschaftler stellten dies fest, indem sie im Labor, unter den gleichen Bedingungen wie im Erdmantel, die Geschwindigkeiten der Schallwellenausbreitung in einem einzelnen Ferropericlase-Kristall maßen. In einem bestimmten Druckbereich, zwischen 395.000 und 590.000 Atmosphären, wurde das Material plötzlich „weicher“, das heißt es verlangsamte die Schallwellen stärker, als aus bisherigen Studien zu erwarten war.
„Bei hohen Temperaturen resultiert das in einem sehr großen Tiefenbereich, der anormale Eigenschaften besitzt und sich möglicherweise über einen Großteil des unteren Mantels erstreckt“, so Goncharov. Da die bisherigen Modelle der Wissenschaftler auf der Messung der Schallwellen und auf der Annahme von normalen Eigenschaften im Gestein beruhen, bedeutet dies, dass sie nun unter Umständen komplett neu entwickelt werden müssen.
(Carnegie Institution, 25.01.2008 – NPO)