Erdbebenwellen breiten sich bei ihrem Lauf durch die Erdkugel nicht gleichmäßig aus. Jetzt hat ein internationales Forscherteam experimentell nachgewiesen, dass im unteren Erdmantel zwischen 660 und 2.900 Kilometer Tiefe die Geschwindigkeit der Scherwellen – so genannte S-Erdbebenwellen – sehr stark von der Ausrichtung des Minerals Ferroperiklas abhängt.
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Die Wissenschaftler vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, der Universität Karlsruhe, der Universität Bayreuth und der Arizona State University berichten in der aktuellen Ausgabe von „Science“ über unerwartete Eigenschaften dieses vermutlich zweithäufigsten Minerals des unteren Erdmantels.
Strukturänderung der Eisenionen
„Ab einem Druck von etwa 50 Giga-Pascal, was rund 1.300 Kilometer Erdtiefe entspricht, zeigt sich eine besonders starke Richtungsabhängigkeit der Wellenausbreitung, was auf eine elektronische Strukturänderung der Eisenionen im Ferroperiklas zurückzuführen ist“, sagt dazu Hauke Marquardt vom GFZ.
Darüber hinaus kommt es zu einer bevorzugten Orientierung des Minerals aufgrund von Fließbewegungen im unteren Mantel. Daraus resultiert nach Angaben der Forscher die messbare ungleichmäßige Ausbreitung von Erdbebenwellen. Die Fließbewegungen sind die treibende Kraft hinter tektonischen Plattenbewegungen, Gebirgsbildungen, Erdbeben und vulkanischen Aktivitäten und bestimmen damit maßgeblich unser Leben auf der Erdoberfläche.
Erde im Labor
Da das tiefe Erdinnere direkter Beobachtung nicht zugänglich ist, holen die Wissenschaftler die Erde ins Labor. Dazu erzeugen sie Drücke, wie sie im Erdmantel vorkommen. Mittels Diamantstempelzellen werden die Hochdruck-Experimente am GFZ durchgeführt, ergänzt werden diese Untersuchungen mit Röntgenbeugungsexperimenten an der Synchrotronquelle „Diamond Light Source“ in Didcot, England.
Die neuen Erkenntnisse haben nach Angaben der Wissenschaftler auch einen praktischen Wert: Annahmen über das Gesteinsmaterial tief im Erdinnern sind notwendig, um die Fließbewegungen im unteren Erdmantel aus der messbaren Richtungsabhängigkeit der S-Wellengeschwindigkeiten abzuleiten und so plattentektonische Prozesse besser zu verstehen.
(idw – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, 14.04.2009 – DLO)