Nur einen Monat nach dem Start des Satelliten TanDEM-X sind jetzt die ersten spektakulären 3D-Bilder der Sonde und ihres Zwillings TerraSAR-X veröffentlicht worden. Erstmals sieht man in den Bildern einer Inselgruppe im russischen Nordpolarmeer selbst minimale Höhenunterschiede von Straßen, Ackergrenzen und Flussläufen – und dies aus bisher kaum kartierten polaren Breiten.
Damit 3D-Bilder und Höhenmodelle aufgenommen werden können, müssen TanDEM-X und sein seit 2007 im All fliegender Zwillingssatellit TerraSAR-X in enger Formation fliegen und zeitgleich dieselbe Erdregion aus einem anderen Sichtwinkel aufnehmen. Diesen engen Formationsflug haben die beiden Satelliten derzeit noch nicht erreicht. Die DLR-Wissenschaftler konnten ihre ersten 3D-Bilder dennoch erstellen, indem sie den optimalen Zeitpunkt abpassten, zu dem sich die beiden Satelliten auf ihrer nahezu gleichen polaren Umlaufbahn fast begegneten.
Am Nordpol kreuzen sich die „Bodenspuren“, also die gedachten Umlaufbahnen der beiden Satelliten, über der Erdoberfläche. Wenn beide Satelliten auf diese gedachte Kreuzung zufliegen – natürlich etwas zeitversetzt – nähern sie sich einander an. Am 16. Juli 2010 nutzten die Wissenschaftler die besondere
Konstellation der beiden Satelliten und erstellten das erste Höhenmodell bei einem Abstand der beiden Satelliten zueinander von 370 Kilometern.
Premiere mit Präzision von wenigen Zentimetern
Schon diese ersten Höhenmodelle zeigen erstaunliche Ansichten der vereisten russischen Oktoberrevolutions-Insel, der größten Insel der Sewernaja-Semlja-Gruppe. Nie zuvor konnten aus dem Weltraum Details wie die Höhe der Gletscher und einzelner treibender Eisschollen mit einer Präzision von wenigen Zentimetern vermessen werden. Auch die Höhe einer ausgedehnten Eiskappe in der
Mitte der Insel wird genau abgebildet. Von dieser bizarren Welt gab es bisher keine Daten dieser Qualität.
3D-Bilder durch „Schielen“
Da der Abstand der beiden Satelliten bei deisen Aufnahmen mmer noch verhältnismäßig groß war, mussten die Radarexperten dafür tief in die Trickkiste greifen und die Flexibilität der beiden Satelliten voll ausreizen: Damit diese zeitgleich das gleiche Gebiet aufnehmen konnten, waren die Antennen nicht senkrecht auf die Erde gerichtet sondern zur Seite geschwenkt. Die beiden Antennen „schielten“ damit aus dem All auf den gleichen Punkt auf der Erde. Über die speziell ausgerichteten Antennen wurden die Daten aufgenommen und dann zur Erde gefunkt.
„Wir sind erleichtert, dass diese ersten Aufnahmen so gut verlaufen sind. Das bedeutet, dass das Zusammenspiel der beiden Satelliten auch bereits in diesem ersten Stadium hervorragend funktioniert, die Orbits hochgenau kontrolliert werden und auch unsere Bodensysteme damit klar gekommen sind.“ stellt TanDEM-X-Systemingenieur Dr. Gerhard Krieger fest, der die Idee zu diesem besonderen
Versuch hatte.
Startschuss für weitere Höhenmodelle
Mit dem erfolgreichen Experiment erfolgte der Startschuss für weitere 3D-Bilder. Die sich annähernden Satelliten erlaubten im Folgenden auch Testaufnahmen von Geländeabschnitten in mittleren Breiten. So entstand kurz darauf das erste Höhenmodell (Digital Elevation Measurement, DEM) eines etwa
50 mal 30 Kilometer großen Gebietes in der südrussischen Region bei Kalatsch am Don, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Wolgograd entfernt. Es handelt sich um ein Gebiet, das schon Ziel der allerersten Radaraufnahme des TerraSAR-X-Satelliten war.
„Diese neuen Höhendaten-Aufnahmen geben bereits einen ersten Eindruck von den DEM-Produkten der TanDEM-X Mission. Erstmals sieht man in derartigen Bildern selbst die minimalen Höhenunterschiede von Straßen, Ackergrenzen und Flussläufen. Dies eröffnet jetzt schon fantastische Aussichten für die Anwendung dieser Daten – zum Beispiel für die Vorhersage von Überflutungsgebieten im Katastrophenfall“, erklärt der für die Verarbeitung dieser Daten zu Höhenmodellen verantwortliche DLR-Ingenieur Thomas Fritz.
Langsame Annäherung im All
Der Abstand von TerraSAR-X und TanDEM-X wurde in der Zwischenzeit auf 20 Kilometer reduziert und wird für die kommenden Monate beibehalten. In dieser Zeit finden umfangreiche Systemtests und Kalibrieraktivitäten statt. Im Herbst 2010 beginnt dann der Flug in der engen Formation. Dabei wird der Abstand der beiden Satelliten zunächst auf 500 Meter und im Anschluss für den Zeitraum der Aufnahme der Höhenmodelle auf 200 Meter verringert.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 23.07.2010 – NPO)