„Silos“ statt Netz: Forscher haben die Struktur des berüchtigten Dark Web kartiert – und Überraschendes entdeckt. Denn dieser eher für dunkle Geschäfte genutzte Web-Bereich ähnelt weniger einem Netz als vielmehr einer Ansammlung isolierter Container: 87 Prozent der Dark Web-Seiten enthalten nicht einen einzigen Link zu einer anderen Seite, wie die Analyse ergab. „Anders als das WWW ist das Dark Web ein Ort der Isolation“, konstatieren die Forscher.
Das Dark Web gilt vielfach als die Schmuddelecke des Internets oder eine Art dunkles Paralleluniversum. Denn dieser Teil des Netzes wird nicht von Suchmaschinen erfasst. Wer eine Seite besuchen will, der muss ihre genaue Adresse kennen und spezielle Software wie den Tor-Browser nutzen.
Die Kennung von Sites im Dark Web besteht jedoch nicht wie im Internet aus einer IP-Adresse, sondern aus einem sogenannte Hash – einer verschlüsselten 16-stelligen Kennung, die keinerlei Aufschluss über Standort oder Besitzer einer Site gibt. Genau deshalb nutzen auch Kriminelle das Dark Web, um beispielsweise Drogen, Waffen und sonstige illegale Waren zu verkaufen.
Mit dem Crawler ins Dark Web
„Das Dark Web ist berüchtigt für seine Undurchsichtigkeit“, erklären Carlo Ratti vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und sein Kollege Virgil Griffith vom MIT in Singapur. Während die vernetzte Struktur des World Wide Web schon lange intensiv kartiert und erforscht wird, lag die Grundstruktur des Dark Web bisher weitgehend im Dunkeln.
Jetzt jedoch haben die beiden Forscher erstmals einige fundamentale Strukturmerkmale des Dark Web enthüllt. Für ihre Studie ließen sie einen speziellen Webcrawler durch die über das Tor-Netzwerk zugänglichen Seiten der Pseudo-Domain *.onion.link laufen. Sie erfassten dabei besonders die Verlinkung der Seiten untereinander und damit die Netzstruktur des Dark Web.
Verblüffend linkarm
Das Ergebnis: Der Crawler spürte gut 7.000 Sites im Dark Web auf, die insgesamt rund 25.000 Links aufwiesen. Allerdings: Die allermeisten dieser Links führten von nur einer Handvoll zentraler Knoten zu den Seiten. „Rund 30 Prozent der Sites hatten nur genau einen zu ihnen führenden Link – und dieser kam meist von einer der fünf größten Knoten“, berichten die Forscher.
Noch überraschender jedoch war die Analyse der von den einzelnen Dark Web Seiten ausgehenden Links: „Das erstaunlichste Merkmal ist, dass 87 Prozent der Seiten auf keine einzige andere Seite verlinken“, konstatieren die Wissenschaftler. Wenn es einen Link gab, dann führte er etwa genauso häufig auf eine andere Dark Web Seite wie auf eine normale Internetseite im WWW.
Dunkle Silos statt dunkles Netz
Das aber bedeutet: „Das Dark Web hat eine völlig andere Struktur als das World Wide Web“, so Ratti und Griffith. Statt eines auf allen Ebenen stark miteinander vernetzten Gebildes ähnelt das Dark Web eher einer Ansammlung von Dark Silos – voneinander isolierten Containern. „Der Begriff Web ist daher eher eine Fehlbezeichnung, denn im Gegensatz zum WWW ist das Dark Web ein Ort der Isolation“, sagen die Forscher.
Ihre Analyse zeigt auch, warum das Dark Web so wenig vernetzt ist: Offenbar stehen keine rein technischen Gründe dahinter, wie beispielsweise die Kurzlebigkeit vieler Dark Web-Sites. Stattdessen ist die Isolation gewollt: „Wir vermuten, dass die Menschen, die Sites im Dark Web erstellen, einfach weniger sozial sind als im WWW“, so Ratti und Griffith.
Kein Wunder: Während es im normalen Internet stark um sozialen Austausch und Sichtbarkeit geht, dienen viele Seiten im Dark Web eher ganz konkreten – und oft eher kriminellen – Interessen. Das Dark Web ist damit ein bisschen so etwas wie die „asoziale Ecke“ des Internets, konstatieren die Forscher. „In jedem Falle wird das Dark Web kaum als soziales Werkzeug genutzt, das WWW dagegen schon“, so Griffith. ( arXiv:1704.07525)
(Science, arXiv, 03.05.2017 – NPO)