Chemie

Erster „Benzolring“ aus Stickstoff

Chemiker erzeugen erstmals aromatischen Ring aus sechs Stickstoffatomen

Hexazin-Anion
Sieht aus wie ein Benzolring, ist aber aus Stickstoffatomen: Das Hexazin-Anion ist die erste sechsatomige aromatische Ringverbindung des Stickstoffs. © Dominique Laniel

Aus Stickstoff statt Kohlenstoff: Chemikern ist es erstmals gelungen, einen aromatischen Ring aus sechs Stickstoffatomen herzustellen – eine Art Benzolring aus Stickstoff. Wie bei aromatischen Kohlenstoffringen sind auch bei diesem Hexazin-Anion die Bindungselektronen delokalisiert. Die unter Hochdruck und Hitze synthetisierte Verbindung ist erst die zweite beim Stickstoff bekannte aromatische Verbindung und eröffnet die Chance auf neue Materialien und Technologien, wie das Team in „Nature Chemistry“ berichtet.

In der Natur kommt Stickstoff nur in wenigen Bindungsvarianten vor. Dabei geht das Element bevorzugt Dreifachbindungen ein, die seine Außenschale komplettieren und daher energetisch günstig und besonders stabil sind. Typisches Beispiel dafür sind die in der Atmosphäre vorkommenden Stickstoffmoleküle (N), die nur schwer aufzubrechen sind. Die Verbindung Bornitrid ist sogar ähnlich hart wie Diamant. Um Stickstoff aber auch in andere Bindungsformen zu bringen, benötigt man hohen Druck und viele Hitze.

Das Geheimnis aromatischer Ringe

Eine der Bindungsformen, die bisher nur schwer mit Stickstoff zu realisieren waren, sind aromatische Ringe. In diesen bisher vor allem vom Kohlenstoff bekannten Ringen sind die Bindungselektronen delokalisiert und bilden ein über dem gesamten Ring reichendes Orbital. Diese π- Elektronen verleihen den Verbindungen große Stabilität und besondere elektronische und chemische Eigenschaften. Bekanntestes Beispiel dafür ist der Benzolring aus sechs Kohlenstoffatomen.

Komplexverbindung
In dieser kristallinen Komplexverbindung wurden die aromatischen Hexazinringe synthetisiert und nachgewiesen. © Dominique Laniel

Jetzt ist es Chemikern um Dominique Laniel von der Universität Edinburgh erstmals gelungen, auch aus Stickstoff eine solche sechsatomige, aromatische Ringverbindung zu synthetisieren. Dafür hatten sie Kaliumazid (KN) und molekularen Stickstoff (N) einem Druck von 46 Gigapascal ausgesetzt und die Mischung mit einem Laser bis auf 2.000 Grad Celsius erhitzt. Röntgenstrukturanalysen enthüllten, dass sich unter diesen Extrembedingungen eine Komplexverbindung aus Kalium und Stickstoff bildet – KN₅₆.

„Benzolring“ aus Stickstoff

Das Entscheidende jedoch: Die Komplexverbindung ist unter anderem aus sechsatomigen Stickstoffringen aufgebaut. „Obwohl wir sofort sehen konnten, dass diese planaren[N]⁴⁻–Ringe die Grundvoraussetzungen für Aromatizität erfüllen, haben wir neueste Berechnungsmethoden angewandt, um dies zu überprüfen“, berichtet Laniel. Nach der sogenannten Hückel-Regel für aromatische Moleküle muss ein solcher Ring zyklisch und planar sein und (4n + 2) π-Elektronen besitzen.

Dies war bei den Stickstoffringen der Fall: „Dies ist das erste Mal, dass ein aus sechs Stickstoffatomen bestehender Ring synthetisiert wurde, der mit Hückels Regel für Aromatizität übereinstimmt“, sagt Seniorautorin Natalia Dubrovinskaia von der Universität Bayreuth. „Für den aromatischen Charakter dieser Verbindung sprechen außerdem Berechnungen der elektronischen Ladungsdichte und Überlegungen zur Bindungslänge.“

Ansatz für neue Materialien und Anwendungen

Der neue sechsatomige Stickstoffring ähnelt in der Zahl seiner Atome und ihrer Anordnung dem Benzolring des Kohlenstoffs, ist aber negativ geladen. Der [N]⁴⁻-Ring wird daher als Hexazin-Anion bezeichnet. Der Ring ist erst die zweite bisher synthetisierte aromatische Stickstoffverbindung nach dem Fünfring des Pentazol-Anions. „Wir hoffen, dass die Synthese des Hexazin-Anions zusammen mit der des [N₅]⁻-Pentazol-Anions weitere Forschungen zur Stickstoffchemie und die Suche nach neuen technologischen Materialien auf Stickstoffbasis anregen wird“, sagt Koautor Leonid Dubrovinsky von der Universität Bayreuth.

Neben dem aromatischen Ring ist jedoch auch die Komplexverbindung, in der diese Ringe sitzen, ungewöhnlich: „Wir waren sehr überrascht über die Anordnung der Atome in der Verbindung KN₅₆. Sie ist von einer Komplexität, die bei Festkörpern, die bei so hohen Drücken hergestellt werden, fast nie beobachtet wird.“, berichtet Laniel. Auch dies bietet Ansatzpunkte für neuartige Materialien und Anwendungen. (Nature Chemistry, 2023; doi: 10.1038/s41557-023-01148-7)

Quelle: Universität Bayreuth

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