Ein Hohlkäfig aus 40 Atomen: Chemiker haben erstmals nachgeweisen, dass auch das Element Bor sogenannte Fullerene bilden kann. Diese Nano-Fußbälle aus Bor könnten ähnlich wie die schon länger bekannten Hohlkugeln aus Kohlenstoff neue Anwendungen und Materialien ermöglichen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Chemistry“.
Als vor knapp 30 Jahren entdeckt wurde, dass Kohlenstoff aus 60 Atomen bestehende Hohlkugeln bilden kann, löste dies einen wahren Schub an nanotechnischen Innovationen aus. Schnell zeigte, sich, dass diese hohlen Nano-Fußbälle andere Moleküle in ihrem Innern einschließen können und zudem sehr stabil sind – beides macht sie heute zu begehrten Bausteinen der Nanotechnologie. Diese neue Konfiguration des Kohlenstoffs wurde in Anlehnung an die geodätischen Kuppelbauten des Architekten Buckminster Fuller Buckminster-Fulleren getauft
Auf der Suche nach dem Bor-Fulleren
Seither stellt sich für Chemiker die Frage, ob auch andere Elemente solche Fullerene bilden können. Ein naheliegender Kandidat wäre theoretisch das Bor, das im Periodensystem links neben dem Kohlenstoff steht. Allerdings trägt das Bor ein Elektron weniger in seiner Außenschale, daher war schnell klar, dass es keine 60-atomigen Kugeln formen kann, das Molekül würde in sich zusammenbrechen. Aber vielleicht gab es ja Bor-Käfige mit anderen Atomzahlen?
„Im letzten Jahrzehnt hat man vereint experimentelle und theoretische Anstrengungen unternommen, um dies zu herauszufinden“, erklären Hua-Jin Zhai von der Shanxi Universität in China und seine Kollegen. Dabei entdeckte man zwar eine Graphen-ähnliche flache Borform, nicht aber die ersehnten Hohlkugeln. Doch es gab Hinweise darauf, dass ein Cluster aus 40 Boratomen besonders stabil sein könnte – möglicherweise weil es eine Hohlkugel bildet.
Hohlkugel mit 40 Atomen
Um herauszufinden, welche Form dieser 40er-Cluster haben könnte, führten Zhai und seine Kollegen zunächst Computersimulationen durch. Ein spezielles Programm spielte dabei mehr als 10.000 mögliche Anordnungen der Atome im 40er-Haufen durch und berechnete die Bindungsenergien, denn sie erlauben Rückschlüsse darauf, ob ein Molekül stabil ist oder nicht. Zwei davon erwiesen sich als besonders günstig – und eine Anordnung davon schien tatsächlich ein Fulleren zu sein.
Um dies zu überprüfen, verdampften die Forscher mit Hilfe eines Lasers Bor und erzeugten so verschieden große Borcluster. Aus diesen isolierten sie die 40er-Haufen und analysierten deren Bindungsenergie mit Hilfe der sogenannten Photoelektronen-Spektroskopie. Dabei schlägt ein Laser Elektronen aus dem Cluster heraus, deren Geschwindigkeit wiederum erlaubt Rückschlüsse auf die Bindungsenergie.
„Eine wirklich große Sache“
Das Ergebnis: Das Bor bildet tatsächlich zwei verschiedenen Formen von 40er-Clustern, eines ein eher abgeflachtes Molekül, das andere aber ein kugeliger Käfig – ein Fulleren. „Dies ist das erste Mal, dass ein solcher Borkäfig experimentell beobachtet worden ist“, sagt Seniorautor Lai-Sheng Wang von der Brown University. „Die ersten zu sein, die diese Anordnung sehen, ist eine wirklich große Sache.“
Nähere Untersuchungen ergaben, dass das Bor-Fulleren nicht ganz so ebenmäßig rund ist wie die Kohlenstoff-Variante. Einige Atome ragen ein bisschen nach außen aus der Kugel heraus. Das Bor lagert sich zudem nicht zu fünf- und sechseckigen Untereinheiten zusammen, sondern bildet stattdessen 48 Dreiecke, vier siebenseitige und zwei sechsseitige Ringe, wie die Forscher berichten. Die grundlegende, rundliche Käfigstruktur ist aber eindeutig zu erkennen.
Neue Materialien und Anwendungen möglich
„Die Beobachtung des ersten komplett aus Bor bestehenden Fullerens bereichert die Chemie und könnte zu neuen, borbasierten Materialen führen“, konstatieren die Forscher. Noch sei es allerdings ein wenig zu früh, um sagen zu können, welche konkreten Anwendungen das Borospheren getaufte Fulleren haben könnte.
Möglich wäre aber zum Beispiel, solche Nano-Hohlkugeln zum Speichern von Wasserstoff zu nutzen. Denn das Borospheren müsste sich besonders gut mit diesem Gas verbinden und könnte es sicher einschließen. „Es wäre wundervoll, wenn es sich als nützlich herausstellen würde“, sagt Wang. Er hofft, dass diese Entdeckung eine neue Welle der Forschung an diesem Molekül und vielleicht ja auch der Innovationen auslösen wird. (Nature Chemistry, 2014; doi: 10.1038/NCHEM.1999)
(Nature / Brown University, 14.07.2014 – NPO)