Signale reisen „Huckepack“
Anders beim neuen Prototyp: Er nutzt eine Technik, die die Forscher bereits für „singende“ Plakate und sprechende T-Shirts umgesetzt haben. Dabei greift eine kleine Antenne die Vibrationen des Telefon-Lautsprechers oder Mikrophons ab. Diese Signale werden nun jedoch nicht in Mobilfunkwellen umgewandelt und gesendet.
Stattdessen „fängt“ das Handy die Radiosignale einer nahen Basisstation, eines dafür konfigurierten W-LAN-Routers oder sogar von entsprechend umgerüsteten Mobilfunkantennen auf und wirft sie wieder zurück. Bei dieser Rückstreuung prägt es den Signalen die Sprachinformationen aus dem Mikrophon auf.
So funktioniert das Handy ohne Batterie© Paul G. Allen School
Strom aus der Umgebung
Weil das Telefon dafür nur passiv die ohnehin vorhandenen Radiowellen nutzt, benötigt dieses „Huckepack“-Schicken von Informationen kaum Strom. Ein Strombudget von 3,5 Mikrowatt reicht aus. Nach ähnlichem Prinzip hat das Forscherteam bereits ein extrem stromsparendes WLAN entwickelt. Jetzt haben sie das Prinzip der passiven Signalübertragung erstmals auch in ein Telefon implementiert.
Den wenigen Strom, den das neuartige Telefon braucht, bezieht es entweder direkt aus den umgebenden Radiowellen oder aber aus einer kleinen Solarzelle. Ein reiskorngroßes Solarmodul reicht beispielsweise aus, damit das Telefon mit einer 15 Metern entfernten Basisstation kommunizieren kann, wie die Forscher berichten. Nutzt es nur die Radiosignale der Basis, kann man sich rund zehn Meter von ihr entfernen.
Prototyp beweist Machbarkeit
Wie gut dies funktioniert, belegen erste Tests mit einem Prototyp. Dieser besteht aus simplen, überall erhältlichen Elektronikbauteilen, montiert auf einer Platine. Die Basisstation dient als Sender und Empfänger der Radiowellen, gleichzeitig läuft auf ihr Skype. Erhält sie nun die auf den rückgestreuten Wellen kodierten Sprachsignale, speist die diese in Skype ein und ein ganz normales VOIP-Telefonat ist möglich, wie die Forscher demonstrieren.

Die bestehende Infrastruktur könnte so angepasst werden, dass in Zukunft alle Telefone batterielos funktionieren. © Mark Stone/ University of Washington
„Dieser Beweis der Machbarkeit ist schon jetzt spannend“, sagt Teamleiter Joshua Smith. Noch ist der Prototyp zwar eher einfach und zum Umschalten zwischen Sprechen und Hören muss man einen Knopf auf dem Gerät drücken. Zudem benötigt man eine eigens angepasste Basisstation für das Telefonieren und die Reichweite ist begrenzt. Aber schon jetzt arbeiten die Forscher daran, die Reichweite ihrer Telefone zu erhöhen und die Signale zu verschlüsseln. Auch optische Displays auf Basis der E-Ink-Technologie und Videostreams sollen künftig möglich werden.
Bald überall batteriefreies Telefonieren?
„Wir glauben, dass diese Technologie die Alltagsgeräte der Zukunft signifikant beeinflussen wird“, sagt Smith. So könnte die nötige Technologie künftig in alle Mobilfunksender oder WLAN-Router integriert werden. „Man kann sich vorstellen, dass in der Zukunft alle Mobilfunkmasten und Router diese Technologie beinhalten. Und wenn ohnehin jedes Haus einen WLAN-Router hat, dann hätte man überall eine batteriefreie Handy-Abdeckung“, sagt Teammitglied Vamsi Talla. (Proceedings of the ACM on Interactive, Mobile, Wearable and Ubiquitous Technologies, 2017; doi: 10.1145/3090090)
(University of Washington, 10.07.2017 – NPO)
10. Juli 2017