Ein Autorennen der ungewöhnlichen Art: In Toulouse findet heute das weltweit erste Rennen für Nano-Autos statt. Die teilnehmenden Fahrzeuge bestehen aus wenigen Atomen oder Molekülen und sind maximal 100 Nanometer groß. Sie messen sich auf einer Rennstrecke aus Goldatomen, die zwischen den Spitzen eines speziellen Rastertunnel-Mikroskops liegt. Wichtigster Zweck skurrilen Nanocar Rennens: Neue Erkenntnisse für die Optimierung solcher Nanokonstrukte zu sammeln.
Maschinen und Fahrzeuge im Molekülmaßstab haben Konjunktur: Es gibt Elektromotoren aus nur einem Molekül, Nano-Roboter aus rein chemischen Bestandteilen und schnelle Rotoren im Miniaturformat. Schon vor einigen Jahren haben Forscher sogar ein mit UV-Licht angetriebenes Nano-U-Boot und ein molekulares Nano-Auto konstruiert.
Jetzt bekommen die Nano-Autos und ihrer Entwicklerteams erstmals die Gelegenheit, sich miteinander zu messen. Am Zentrum für Materialforschung im französischen Toulouse findet das weltweit erste Nanocar-Rennen statt. Nach Vorauswahl und Tests sind sechs Forscherteams und ihre Konstrukte qualifiziert. Im ersten Rennen werden vier davon gleichzeitig starten. Das Nanocar-Rennen wird live auf Youtube übertragen.
Die Rennstrecke und das Rennen
Die Rennstrecke besteht aus einer Fläche aus Goldatomen. Auf dieser müssen die Nano-Autos 20 Nanometer geradeaus fahren, dann folgt eine 45-Grad-Kurve und eine 30 Nanometer lange Gerade. Nach einer weiteren 45-Grad-Kurve geht es in die 20 Nanometer lange Zielgerade. Für die insgesamt 100 Nanometer lange Fahrtstrecke haben die Nano-Autos 36 Stunden Zeit.
Als Antrieb und Beobachtungsinstrument zugleich dient ein spezielles Rastertunnel-Mikroskop mit vier Spitzen – das einzige weltweit. Jede der Spitzen folgt dabei einem Fahrzeug und liefert diesem durch die von der Spitze auf das Molekül überspringenden Elektronen die nötige Energie. Jedes der vier am Rennen beteiligten Teams sitzt an einem eigenen Kontrollschirm und kann die Spitze ihres Nano-Autos unabhängig von den anderen steuern.
Die Fahrzeuge
Die teilnehmenden Nano-Autos sind alle weniger als 100 Nanometer groß, aber ganz unterschiedlich konstruiert. Eher ein Riese ist der „Green Buggy“ des französischen Teams: Die komplette chemische Bezeichnung des aus 300 Atomen bestehenden Moleküls würde zehn Zeilen füllen, wie die Forscher erklären. Seine vier Räder sind aus miteinander verbundenen Kohlenwasserstoffringen zusammengesetzt.
Eher Schwebefahrzeugen gleichen dagegen die beiden Modelle des schweizerischen und des deutschen Teams. Der „Swiss Nano Dragster“ hat drei Arme aus ringförmigen Terpyridin-Gruppen, die ihn bei Stromzufuhr nach vorne schieben. Der vierarmige „Windmill“ basiert auf der Verbindung Acetylbiphenyl und bewegt sich kreiselnd fort.
Noch eine andere Taktik nutzt der NIMS-MANA Car des japanischen Teams. Er besteht aus einem Binaphthyl-Dimer – einer Verbindung aus zwei mal zwei Naphtyl-Einheiten. Diese können sich bei Energiezufuhr gegeneinander neigen und erzeugen so paddelähnliche Bewegungen. Eher dem klassischen vierrädrigen Wagen ähnelt dagegen der „Dipolar Racer“ des US-österreichischen Teams.
Wettbewerb und Experiment zugleich
Ziel dieses ersten Nanocar-Rennens ist nicht nur der Wettbewerb, sondern auch ein wissenschaftliches Experiment. Denn mit ihm lasse sich die Nanokonstrukte erstmals unter standardisierten Bedingungen ausprobieren und vergleichen. Den Forscherteams liefern das Rennen und die Vorbereitungen darauf wertvolle Informationen für die Optimierung ihrer Fahrzeuge.
„Das Nanocar-Rennen ist eine einzigartige Möglichkeit für Wissenschaftler, modernste Technologien für die simultane Beobachtung und die unabhängige Steuerung solcher Nanomaschinen einzusetzen“, erklären die Veranstalter von der französischen Forschungsorganisation CNRS.
(CNRS (Délégation Paris Michel-Ange), 28.04.2017 – NPO)