Die Entwicklung der ersten, einfachen Mikroskope brachte einen ernormen Schub an Erkenntnissen für die Naturwissenschaften. Um die in Natur und Technik ablaufenden Prozesse immer besser zu verstehen, werden seitdem Abbildungsverfahren mit immer höherem räumlichen Auflösungsvermögen und Instrumente für eine immer schnellere Beobachtung entwickelt. Derzeit können unterschiedliche Methoden bis in die Nanowelt sehen, wo Strukturen nur den millionsten Teil eines Millimeters groß sind, und dabei Prozesse verfolgen, die sich über wenige Pikosekunden (den milliardensten Teil einer tausendstel
Sekunde) erstrecken. Am Berliner Elektronenspeicherring für Synchrotronstrahlung (BESSY) ist es nun erstmals gelungen, Hologramme von Nanostrukturen mit Röntgenstrahlung aufzunehmen.
Wissenschaftler um Stefan Eisebitt (BESSY) und Jan Lüning vom Stanford Synchrotron Radiation Labor (SSRL; USA) entwickelten dazu eine neuartige Versuchsanordnung, mit der sie in einem ersten Experiment die magnetischen Domänen eines Cobalt-Platin-Films mit einer Auflösung von 50 Nanometern abbilden konnten. „Vorteile unserer Anordnung sind die einfache Justage, Unempfindlichkeit gegenüber Vibrationen während der Messung sowie ein sehr kostengünstiger Aufbau.
Außerdem lässt sich die Holographie an Synchrotronstrahlungsquellen wie BESSY II mit besonderen spektroskopischen Kontrastmechanismen verknüpfen. Damit lassen sich beispielsweise die Verteilung einzelner Elemente in einer Probe oder Magnetisierungsmuster räumlich abbilden“, hebt Stefan Eisebitt hervor. Die Röntgenholographie etablierte sich damit als alternative, leicht anzuwendende Methode zu bisherigen Messverfahren im Nanometerbereich.
Röntgenmikroskope im Einsatz
Die Auflösung optischer Mikroskope ist durch die Wellenlänge des verwendeten Lichtes beschränkt, es können bestenfalls 200 Nanometer große Strukturen aufgelöst werden. Röntgenmikroskope, wie sie auch bei BESSY im Einsatz sind, erzielen aufgrund der kürzeren Wellenlänge von Röntgenstrahlen eine Auflösung von 20 Nanometern. Allerdings muss das Röntgenlicht mit speziellen Linsen gebündelt werden, deren Fertigung extrem aufwändig ist und deren Herstellungspräzision die räumliche Auflösung begrenzen.
Die Holographie ist ein alternatives Abbildungsverfahren, das ohne Linsen auskommt. Das von einem Objekt gestreute Licht, als Objektstrahl bezeichnet, wird hierbei nicht durch eine optische Abbildung auf eine Ebene projiziert. Stattdessen nimmt man ein charakteristisches Interferenzmuster des Objektes auf, das durch die Überlagerung des Objektstrahls mit einem Referenzstrahl (Licht desselben „Typs“, wie es für die Beleuchtung des Objektes benutzt wurde) entsteht. Dieses Interferenzmuster ist das Hologramm.
Es enthält die komplette Information über die vom Objekt erzeugte Wellenfront, so dass sich daraus das Bild des Objektes rekonstruieren lässt. Allerdings kann nur kohärente Strahlung solche Hologramme erzeugen, denn nur dann interferieren Objekt- und Referenzstrahl miteinander. Im sichtbaren Spektralbereich benutzt man dazu Laser – aber diese existieren für den Röntgenbereich derzeit noch nicht.
Objekt- und Referenzstrahl nicht auf einer Achse
In Eisebitts und Lünings neuer Versuchsanordnung für die Röntgenholographie liegen der Objekt- und Referenzstrahl nicht auf einer Achse. Dazu brachten sie die Probe auf eine mikrostrukturierte Maske auf, die ein zusätzliches „Nano-Loch“ zur Erzeugung des Referenzstrahls enthält. Diese Geometrie erzeugt ein Interferenzmuster, aus dem sich das Objekt mit einer mathematischen Standartmethode – der zweidimensionalen Fast-Fourier-Transformation – mit hoher Auflösung zweifelsfrei zurückrechnen lässt. Die Masken- Methodik eliminiert Störungen der holographischen Abbildung wie sie in anderen Geometrien auftreten.
Interessant ist die Röntgenholographie auch für den Einsatzes an zukünftigen Röntgenlaserquellen, den Freie Elektronen Lasern (FEL). Sie werden extrem lichtstarkes, kohärentes Röntgenlicht in Pulsen von wenigen Femtosekunden Dauer erzeugen. Mit diesen Pulsen wollen Wissenschaftler unter anderem grundlegende Prozesse, beispielsweise die Bewegung eines Atoms, zeitaufgelöst verfolgen. Eine Folge von Röntgenblitzen kombiniert mit einer entsprechend schnellen Abbildungsmethode könnte dazu stroboskopartige Momentaufnahmen der Bewegungen liefern. „Wir konnten zeigen, dass ein einziger FEL-Röntgenpuls ausreicht, um ein Röntgenhologramm zu erzeugen“, betont Eisebitt. „Die Röntgenholographie sollte sich deswegen dafür eignen, um an einem FEL ultraschnelle Prozesse abzubilden und zu verstehen.“ Die Entwicklung und Planung von Freie Elektronen Lasern wird derzeit weltweit mit hohem Aufwand betrieben. U.a. plant BESSY den Bau eines FEL bis 2010.
Die Wissenschaftler berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.
(idw – BESSY, 17.12.2004 – DLO)