Muscheln und Schnecken bilden Schalen in unterschiedlichen Formen und Farben, manche fallen durch ihr schillerndes Perlmutt besonders auf. Wie diese Weichtiere die robusten und komplizierten Schalenstrukturen herstellen, hat jetzt ein internationales Forscherteam am Beispiel der Muschel Pinctada maxima und der Schnecke Haliotis asinina genauer untersucht. Das überraschende Ergebnis: Beide Arten desselben Tierstammes haben offenbar unabhängig voneinander verschiedene genetische Lösungen für die Schalenbildung entwickelt.
Darüberhinaus entdeckten die Wissenschaftler bei der Analyse von Proteinen, die bei der Herstellung der Schalen eine Rolle spielen, bei beiden Arten ungewöhnliche Strukturen. Diese sind auch in Zusammenhang mit der Bildung von anderem elastischen Material wie zum Beispiel Spinnenseide bekannt. Die Forscher um den Göttinger Geobiologen Daniel J. Jackson stellen jetzt in der Online-Ausgabe des Fachjournals „Molecular Biology and Evolution“ ihre Ergebnisse erstmals vor.
Seeohr und Silberlippige Perlauster
Die zum Tierstamm der Weichtiere gehörenden Schnecken und Muscheln kommen in ganz unterschiedlichen Lebensräumen vor. H. asinina ist eine in warmen Meeren lebende Schnecke, deren perlmuttreiche Schale die Form einer Ohrmuschel hat und die deshalb auch tropisches „Seeohr“ genannt wird. Die Südsee-Muschel P. maxima ist eine sehr große Auster, die weiße Perlen bildet und daher auch als „Silberlippige Perlauster“ bezeichnet wird. Während die Tiere heranwachsen, sondern sie Kalziumkarbonat ab und bilden daraus die Schale.
Wissenschaftler nahmen bislang an, dass die verschiedenen Weichtiere für die Schalenbildung auf die gleichen Gene zurückgreifen. Das Forscherteam um Jackson fand dagegen nun heraus, dass die beiden untersuchten Arten nur weniger als zehn Prozent ihrer Gene teilen. Daraus folgern die Wissenschaftler, dass das genetische Repertoire, das die Schalenbildung ermöglicht, bei den beiden Arten grundlegend verschieden sein muss. Sie vermuten, dass Muscheln und Schnecken im Laufe der Evolution für die Bildung ihrer Schalen unterschiedliche genetische Lösungen unabhängig voneinander entwickelt haben.
Ungewöhnliche Strukturen
Bei der Analyse der unterschiedlichen Proteine in H. asinina und P. maxima stießen die Wissenschaftler zudem auf ungewöhnliche Strukturen: Die Proteine haben sich wiederholende Abschnitte, so genannte Domänen, die aus häufig aufeinanderfolgenden Aminosäuren bestehen. Jede der Domänen faltet sich zu einer unterschiedlichen räumlichen Struktur. Das Zusammenwirken dieser Domänen ist für die Gesamtfunktion eines Proteins entscheidend.
„Die in den beiden Arten unterschiedlichen Proteine enthalten jeweils nur wenige der 20 möglichen Aminosäuren, die mehrfach aneinander gereiht werden und eine Sequenz bilden, die oft wiederholt wird“, erläutert Jackson. Ähnliche Proteine sind in der Natur zum Beispiel in der Seide von Spinnen bekannt, in der eine hohe Elastizität erforderlich ist. Daher könnten sie in der Weichtierschale ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Bildung stabiler und robuster Schalen spielen.
Auf dem Weg zum künstlichen Perlmutt
Die Ergebnisse der Wissenschaftler helfen zu verstehen, wie Weichtiere ihre komplizierten Schalenstrukturen herstellen. Die gesammelten Daten könnten Materialwissenschaftlern aber auch bei Versuchen dienen, die stabile natürliche Keramik Perlmutt künstlich herzustellen.
(idw – Universität Göttingen, 24.02.2010 – DLO)