In einem neuen Experiment haben Wissenschaftler ein Silberatom mit ungewöhnlichen Eigenschaften erzeugt. Das zigarrenförmige Atom demonstrierte eine neue Art des radioaktiven Zerfalls, bei dem es zwei Protonen zugleich ausstieß. Die jetzt in „Nature“ veröffentlichten Ergebnisse repräsentieren einen wichtigen Schritt hin zu einem besseren Verständnis der nuklearen Reaktionen, die die Grundlage aller Materie bilden.
Radioaktiver Zerfall beinhaltet normalerweise die Emission von drei Arten von Teilchen: einem aus zwei Protonen und einem Neutron bestehenden Heliumkern, einem Elektron oder einem Photon. Werden so genannte „exotische“ Atome erzeugt, die weniger Neutronen enthalten als von Natur aus vorgegeben, erwarteten die Physiker bisher einen Zerfall, bei dem jeweils ein Proton auf einmal abgegeben wird.
Doch das neue Silberatom, dass Sam Tabor, Professor für experimentelle Physik an der Florida State Universität gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam in einem Experiment am GSI Laboratorium in Darmstadt erzeugte, verhielt sich ganz und gar nicht wie erwartet. Die Forscher hatten es produziert, indem sie eine dünne Folie aus Nickel mit einem Strahl von Kalziumatomen bombardierten. Dadurch verbanden sich einige Nickel und Kalziumatome zu Silberatomen, die weniger Neutronen als normal aufwiesen. Viele dieser exotischen Silberatome zerfielen anschließend ganz normal, doch einige von ihnen verhielten sich ungewöhnlich: Statt nur eines Protons strahlten sie gleich zwei auf einmal ab und zeigten damit eine völlig neue Form des Zerfalls.
Das Neutronendefizit hatte die Silberatome so deformiert, dass sie statt runde Kugeln nun dicken Zigarren glichen. Die beiden abgestrahlten Protonen verließen das Atom in einigen Fällen an den entgegengesetzten Enden der „Zigarre“, in anderen aber beide am gleichen Ende. Immer aber, so Tabor, wurden sie perfekt synchron emittiert. „Es ist, als wenn ein Kapitän ihnen sagt, wann sie zu springen haben“, erklärt er.
Die Wissenschaftler planen nun die nächsten Schritte ihrer Forschungen. „Es sind Experimente in Vorbereitung, bei denen wir Atome mit Neutronenüberschuss untersuchen und wir haben ein Labor gebaut, in dem wir weitere Reaktionen und Atomkerne studieren können, die für die Astrophysik von Bedeutung sind“, so der Forscher.
„Der Sinn dieser Forschungsrichtung ist es, unser Wissen über die Kernphysik über die von Natur aus vorhandenen Kerne hinaus zu erweitern, indem wir Atomkerne mit weniger oder mehr Neutronen studieren. Wir können die astrophysikalischen Prozesse, durch die letztlich selbst die Atome in unserem Körper entstanden sind, erst dann verstehen, wenn wir die Struktur von neutronenreichen und neutronenarmen Kernen verstanden haben.“
(Florida State University, 30.01.2006 – NPO)