Während die Eruption des Eyjafjallajökull anhält und sogar an Stärke zunimmt, könnte sich die Lage im europäischen Flugverkehr etwas entspannen: Zwar gilt in Deutschland offiziell noch bis 20:00 Uhr das Flugverbot, doch viele Maschinen starten bereits mit Sondergenehmigungen. Die EU-Verkehrsminister haben sich zudem darauf geeinigt, den Luftraum in drei Gefahrenzonen einzuteilen. Flugverbote soll es dann nur noch für Zonen mit höherer Aschenkonzentrationen geben.
Eyjafjallajökull: tiefer liegendes Magmareservoir angezapft
Der Eyjafjallajökull speit noch immer Asche und Staub, heute sogar wieder etwas stärker. Vulkanologen des Nordic Volcanological Center auf Island berichten, dass ihre GPS-Instrumente eine kontinuierliche, aber langsamer werdende Absenkung des Untergrunds im Gebiet des Vulkans zeigen. Sie vermuten, dass nach einer flachen Magmakammer in rund einem Kilometer Tiefe nun eine weitere, tiefer liegende Magmaquelle für den anhaltenden Ausbruch verantwortlich ist. Nach wie vor sorgt das eindringende Schmelzwasser der Eiskappe für explosive Wasserdampfwolken, die einen Teil der austretenden Lava zu Asche zerstäuben.
Diese Aschenwolke wird noch immer vor allem in Richtung Mitteleuropa getrieben, da Wetterlage und damit auch die vorherrschenden Windrichtungen unverändert bleiben. Die stärksten Winde wehen von Island über die Nordsee hinweg in Richtung Ostsee, dies soll auch in den nächsten Tagen anhalten, so die Informationen des Deutschen Wetterdienstes. Länger anhaltender Regen, der die Aschen aus der Luft auswaschen könnte, ist über Deutschland nicht in Sicht.
Messflug erfolgreich
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat am Abend des gestrigen 19. April 2010 einen dreistündigen Flug zur Messung der Vulkanasche-Konzentrationen über Deutschland durchgeführt. Die Flugroute für diesen Messflug führte von Oberpfaffenhofen nach Leipzig, dann über Hamburg nach Bilthoven (Niederlande) und zurück über Stuttgart nach Oberpfaffenhofen. Während des Fluges wurde in Höhen zwischen zwei und zwölf Kilometern gemessen.
Die Messungen erfolgten durch Lufteinlässe und optische Fenster am Dach und im Boden des Fliegers, wo unter anderem das so genannte LIDAR (Light Detection And Ranging)-Instrument eingesetzt ist. „Das LIDAR ist ein Fernerkundungsinstrument, das aus 10.000 Metern Höhe Laserimpulse aussendet und das von der Atmosphäre zurück gestreute Lichtsignal empfängt“, erklärt DLR-Atmosphärenforscher Ulrich Schumann. „Daraus lassen sich beispielsweise Konzentrationsprofile von Aerosolpartikeln ableiten.“ Im Vergleich zu Satelliten, die Informationen über die horizontale Verteilung der Aschewolke geben können, ermöglichen die LIDAR-Daten auch Rückschlüsse auf die vertikale Struktur der Aschewolke: Mit einem zweiten Messgerät-System können auch die Aerosole in der Aschewolke nach Größe und Anzahl sowie optischen Eigenschaften vermessen werden.
Aschenwolke inhomogen
Die Messungen ergaben, dass die Vulkanasche in vertikalen Schichten strukturiert ist. Diese liegen je nach Region in sehr unterschiedlichen Höhen und sind unterschiedlich dicht. Dies bestätigt auch Messungen vom Boden aus, die zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geklommen waren: Gestern Abend hatten Forscher vom Institut für Physik und Meteorologie der Universität Hohenheim erste Messungen über Stuttgart durchgeführt und hatten Vulkan-Aerosole hauptsächlich zwischen
Zwei und drei Kilometern über dem Boden nachgewiesen.
LIDAR-Messungen von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich wiederum hatten die Aschenpartikel in größerer Höhe ausgemacht: „Die Wolke ist eindeutig zu erkennen, in einem Höhenbereich von 7,5 bis zehn Kilometer“, erklärt der Jülicher Atmosphärenforscher Cornelius Schiller. „Sie ist sehr inhomogen, es gibt Perioden von bis zu zwölf Stunden mit und ohne diese Wolken. Wir können mittlerweile sagen, dass es Zeiträume gibt, die kritischer sind, und solche, wo die Luft ‚rein‘ ist.“
Drei Zonen Regelung für Flugverkehr
Die europäische Flugsicherung Eurocontrol hat am 19. April gemeinsam mit den europäischen Verkehrsministern eine Änderung der bisherigen Vorgehens in punkto Flugverboten beschlossen. Demnach wird der Luftraum über Europa in drei Zonen eingeteilt, je nach Aschenkonzentration in der Luft: In der ersten Zone gilt ein absolutes Flugverbot, in der zweiten entscheiden die nationalen Gremien der Mitgliedsstaaten selbst, ob sie Flüge erlauben und im dritten, aschefreien Bereich gibt es keine Begrenzungen für den Luftverkehr. Für heute hat die deutsche Flugsicherung das Flugverbot – mit Ausnahmen – noch einmal bis 20:00 Uhr verlängert.
Sondergenehmigungen erhalten einige Airlines für Langstreckenflüge, die Urlauber aus Übersee zurückbringen sollen. Im innerdeutschen Raum werden ebenfalls einige Routen wieder eingeschränkt beflogen, allerdings im so genannten „kontrollierten Sichtflug“: Statt wie normalerweise im Instrumentenflug und in größeren Höhen müsse die Piloten unter 3.000 Meter Höhe bleiben und auf Sicht fliegen. Die Pilotenvereinigung Cockpit hält solche Sondergenehmigungen allerdings für unverantwortlich und kritisiert das Verfahren als „Einknicken“ gegenüber dem Druck durch die Fluggesellschaften.
Von den bisherigen Flugverboten über Deutschland sind nicht nur Reisende und der Frachtverkehr betroffen, auch das US-Militär musste umdisponieren. Denn die US-Air-Force-Stützpunkte Spangdahlem und Ramstein dienen als Versorgungsstützpunkte für den Afghanistan-Einsatz der amerikanischen Truppen, in Ramstein liegt zudem das wichtigste Militärkrankenhaus der US-Armee außerhalb der USA. Im Moment müssen verwundete Soldaten zur Behandlung über Spanien in die USA ausgeflogen werden.
(Nordic Volcanological Centre, DWD, Tagesschau, Eurocontrol, 20.04.2010 – NPO)