Medizintechnik

Fingerabdruck der Multiplen Sklerose entschlüsselt

Neuer Diagnose-Ansatz zur Früherkennung von MS

Die Umgebung erscheint verschwommen, die Finger der linken Hand sind taub – Hinweise auf eine Multiple Sklerose (MS)? Oder klingen die Symptome nach einigen Tagen ab und kehren dann nie wieder? Die so genannte „Magnetresonanz-Spektroskopie“ könnte die Antwort auf diese Frage künftig erleichtern. Mit dieser Methode lässt sich die Konzentration von Stoffwechselprodukten im Gehirn messen. Die Forscher erhalten dabei einen chemischen „Fingerabdruck“, an dem sich eine drohende Multiple Sklerose erkennen lässt.

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Eine interdisziplinäre Forschergruppe der Universität Bonn hat in ihrer Studie 25 Patienten untersucht, die unter neurologischen Ausfällen litten. Bei neun Patienten entwickelte sich in den Monaten nach der Messung eine Multiple Sklerose. Bei ihnen allen hatte die Spektroskopie zuvor deutliche Auffälligkeiten gefunden, so die Wissenschaftler in der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Neuroradiology“.

Die Krankheit MS äußert sich zunächst oft nicht eindeutig: Die Patienten können plötzlich nicht mehr richtig sehen, berichten über Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen. „Doch das sind Symptome, wie sie auch bei vielen anderen entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems oder beim Schlaganfall auftreten können“, erklärt der Radiologe Mike Wattjes. „Wenn sie jedoch verschwinden und die gleichen oder andere Symptome zu einem späteren Zeitpunkt wieder auftreten, liegt häufig eine Multiple Sklerose zugrunde. Das Problem dabei: Eine frühzeitige und sichere Diagnosestellung ist essentiell, um die Erkrankung so früh wie möglich passend behandeln zu können.“

Fieberkurve des Gehirns

Wattjes, der heute am MS-Zentrum der Freien Universität Amsterdam arbeitet, untersuchte während seiner Bonner Zeit zusammen mit seinem Kollegen, dem Physiker Frank Träber, ob es verlässliche Merkmale gibt, an denen sich die Diagnose „MS“ frühzeitiger festmachen lässt.

Ein viel versprechendes Diagnose-Instrument ist die Magnetresonanz- Spektroskopie. Anders als die konventionelle Kernspintomographie liefert sie kein Bild des Gehirns. Stattdessen wirft das Gerät eine Art komplizierte Fieberkurve aus. Jeder Gipfel steht für ein bestimmtes Stoffwechselprodukt. Je höher die Zacke, desto größer die Menge dieses Produkts im untersuchten Hirnareal.

Bei Multipler Sklerose wird unter anderem die Isolierschicht der Nervenfasern im zentralen Nervensystem angegriffen. Die Fasern können dann Informationen nicht mehr schnell und sicher weiter leiten. Zuerst werden die Nervenzellen nur geschädigt, im weiteren Verlauf können sie sogar absterben. Ursache ist ein chronisch entzündlicher Prozess, bei dem sich auch das Verhältnis verschiedener Hirnmoleküle zueinander verschiebt. Eine dieser Substanzen ist das N-Acetyl-Aspartat (tNAA). Es kommt in intakten Neuronen in deutlich größerer Menge vor als in Fasern, die bereits angegriffen sind. „Diese Änderung der tNAA-Menge lässt sich spektroskopisch messen“, erklärt Träber.

25 Patienten untersucht

Wattjes und er haben das zusammen mit Kollegen aus der Bonner Neurologie gemacht. Insgesamt 25 Patienten mit möglichen MS-Symptomen nahmen an der Studie teil, dazu eine Kontrollgruppe von 20 Gesunden. In den sechs Monaten nach der Messung kontrollierten die Ärzte, bei welchen Patienten sich nach dem ersten Schub tatsächlich eine MS entwickelte. Das war bei neun Patienten der Fall. „Bei diesen neun Patienten war die tNAA-Menge zum Zeitpunkt der Messung, also schon Monate vor der definitiven Diagnose, um durchschnittlich 13 Prozent verringert gewesen“, erklärt Träber. Die übrigen Patienten hatten zwar ebenfalls zu Beginn der Studie geringere tNAA-Werte als die gesunden Probanden. Hier betrug die Differenz aber nur sechs Prozent.

Hinweis auf aggressiven Krankheitsverlauf

„Sechs Monate sind für Multiple Sklerose keine lange Zeit“, betont Wattjes. „Das spricht bei den neun Betroffenen für eine relativ hohe Krankheitsaktivität – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem man eine MS noch gar nicht diagnostizieren kann. Stark verminderte tNAA-Konzentrationen scheinen daher auf ein hohes Risiko hinzuweisen, bereits kurze Zeit nach den ersten Symptomen eine definitive MS zu enwickeln.“

Entsprechende tNAA-Werte wären dann auch ein Signal, früher als normalerweise mit MS-Medikamenten einzuschreiten. Es gibt zudem noch andere Werte, die bei den MS-Patienten in charakteristischer Weise verändert waren. Die MR-Spektroskopie liefert so gewissermaßen einen spezifischen „Fingerabdruck“, an dem sich die Krankheit erkennen lässt.

Gute Ergänzung zum MRT

„Die Methode scheint eine gute Ergänzung für das klassische Diagnose-Instrument – die MR-Tomographie MRT – zu sein“, erklärt Wattjes. Mittels MRT lassen tatsächlich strukturelle Veränderungen im Gehirn sichtbar machen. Interessanterweise liegen diese Läsionen oft in ganz anderen Gebieten, als nun in der MR-Spektroskopie auffällig wurden. „Wahrscheinlich spiegeln die sichtbaren Schädigungen nur eine Facette von MS wieder“, sagt Wattjes. „Viele Krankheitsaktivitäten laufen anscheinend viel subtiler ab – in Hirnbereichen, die scheinbar noch völlig gesund sind.“

(idw – Universität Bonn, 26.11.2007 – DLO)

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