Praktische Pullis mit Schattenseite: Die bei uns so beliebte Fleece-Kleidung entpuppt sich als wahre Mikroplastik-Schleuder. Bei jedem Waschen in der Waschmaschine setzen die Pullis und Jacken aus Synthetikmaterial bis zu zwei Gramm Mikrofasern frei – und je älter das Fleece ist, desto mehr werden es. Das Problem: Die Mikrofasern werden nur zum Teil in Kläranalgen herausgefiltert, der Rest wird i Seen und Flüsse gespült.
Längst ist das Problem bekannt: Ob in Nord- und Ostsee, im Rhein oder anderen Gewässern, in allen Meeren, Flüssen und Seen schwimmen inzwischen Unmengen winziger Plastikteilchen umher. Das Mikroplastik stammt aus zerkleinerten Kunststoff-Abfällen, aber auch aus Kosmetik, Kunststoffkleidung, Verpackungen oder der Industrie. Die Plastikschwemme bedroht nicht nur nahezu alle Wasserlebewesen, auch Schadstoffe reichern sich an den winzigen Partikeln an.
Mikrofasern überall
Eine besonders häufige Form des Mikroplastiks sind neben winzigen Kügelchen vor allem Mikrofasern aus Polyester, Polypropylen oder Acryl. Von ihnen finden sich mittlerweile sogar bis zu acht Fasern pro Liter in Mineralwasser und sogar bis zu 80 Fasern pro Liter in Bier. Hauptquelle dieser winzigen Plastikfasern ist höchstwahrscheinlich die bei uns so beliebte Fleece-Kleidung.
Schon länger vermuten Forscher, dass die winzigen Plastikfasern vor allem beim Waschen der Fleece-Pullis ins Abwasser und darüber in die Gewässer gelangen. Wie viel Mikrofasern ein Fleece-Kleidungsstück beim Waschen abgibt und welche Faktoren die Menge beeinflussen, haben Niko Hartline von der University of California in Santa Barbara und seine Kollegen vor kurzem untersucht.
Für ihre Studie wuschen die Forscher neue und getragene Fleece-Pullis und Jacken verschiedener Hersteller ohne Waschmittel in Waschmaschinen und fingen die Mikrofasern mit speziellen Filtern aus dem abfließenden Wasser auf.
Zwei Gramm pro Pulli und Waschgang
Das Ergebnis: Selbst ohne Waschmittel setzten die neuen Fleece-Kleidungsstücke bei nur einem Waschgang schon bis zu zwei Gramm Mikrofasern frei. „Das entspricht mehr als 0,3 Prozent der Masse des trockenen Kleidungsstücks“, berichten die Forscher. Wurden die Pullis und Jacken in Toplader-Waschmaschinen statt in Frontladern gewaschen, steigerte dies die Mikrofaser-Abgabe um das Siebenfache.
Sind Fleece-Pullis und -Jacken bereits getragen und daher schon mechanisch strapaziert, steigert dies ebenfalls die Menge der beim Waschen freigesetzten Mikrofasern, wie der Versuch ergab. Die Forscher simulierten den Gebrauch, indem sie die Kleidungsstücke 24 Stunden lang wiederholt normal mit Waschmittel wuschen. Als sie dann die Pullis ohne Waschmittel dem eigentlichen Messgang unterzogen, hatte sich die Mikrofasern-Abgabe gegenüber den neuen Kleidungsstücken deutlich erhöht.
Nur ein Teil bleibt in der Kläranlage
Die Wissenschaftler schätzen, dass pro hunderttausend Kleidungsstücke aus synthetischem Material 0,65 bis 3,90 Kilogramm Mikrofasern mit dem Abwasser in die Kläranlagen gespült werden. Je häufiger im Monat die Pullis gewaschen werden, desto höher die Mikroplastikfracht. Das Problem dabei: Ein Teil der Mikrofasern bleibt zwar zusammen mit anderen Verunreinigungen in den Filtern der Kläranlagen hängen, der Rest aber gelangt in die Seen und Flüsse.
Nach Schätzungen von Hartline und seinen Kollegen entlässt eine Kläranlage in den USA pro Tag zwischen 10 und 60 Gramm Mikrofasern in die Gewässer. Und selbst Fasern, die aufgefangen werden, können über Umwege in die Umwelt gelangen – beispielsweise, wenn Klärschlamm als Dünger genutzt wird. „Das Waschen von Jacken oder Pullis aus Synthetikfasern könnte daher für die meisten in unseren Gewässern vorhandenen Mikrofasern verantwortlich sein“, so die Forscher.
Bisher hilft nur weniger waschen
Einige Hersteller von Outdoorkleidung arbeiten bereits an Methoden, die ihre Textilien robuster und weniger Mikrofaser-freisetzend machen sollen – beispielsweise durch eine geänderte Verarbeitung der Fasern. Gleichzeitig forschen sie an Verfahren, mit denen die Mikrofasern beim Waschen oder später in der Kläranlage effektiver eingefangen werden können.
„Bisher haben wir noch keine supereffektive und greifbare Lösung gefunden“, räumt Elissa Loughman von Patagonia ein. „Aber wir arbeiten an Ratschlägen, die wir den Konsumenten geben können.“ Bisher hilft Umweltbewussten wohl nur ein Rat: weniger Fleecepullis tragen und diese nicht so häufig waschen. (Environmental Science & Technology, 2016; doi: 10.1021/acs.est.6b03045)
(American Chemical Society, 17.01.2017 – NPO)