Krankmachender Lärm: Ständiger Lärm verursacht nicht nur Stress und schädigt das Kreislaufsystem – er fördert offenbar auch Herzrhythmusstörungen. Bei extremer Lärmbelästigung steigt die Häufigkeit von Vorhofflimmern von 15 auf 23 Prozent an, wie eine deutsche Studie mit 15.000 Teilnehmern nahelegt. Je belastender der Lärm, desto mehr nahmen auch die Herzrhythmusstörungen zu. Einen besonders hohen Anteil an der Lärmbelästigung hatte dabei nächtlicher Fluglärm.
Zu viel Lärm macht krank – das ist nichts Neues. Studien belegen, dass eine anhaltende Belastung durch Flug- und Verkehrslärm unter anderem Bluthochdruck, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Depressionen fördern kann. Zudem kann Lärm schon bei jungen Menschen die Blutgefäße schädigen. Auslöser für diese Folgen ist dabei nicht nur den Lärm selbst, sondern auch die Reaktion darauf: Ärger, gestörter Schlaf, Erschöpfung und Stresssymptome durch Lärm beeinträchtigen auf Dauer Wohlbefinden, Gesundheit und Lebensqualität.
Mainz und Umgebung als Testgebiet
Jetzt haben Omar Hahad von der Universität Mainz und seine Kollegen eine weitere Gesundheits-Folge der Lärmbelästigung identifiziert. Dafür werteten sie Daten der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) aus, einer Langzeitstudie mit gut 15.000 Frauen und Männern zwischen 35 und 74 Jahren aus Mainz und Umgebung. Alle Teilnehmer hatten auf einem standardisierten Fragebogen Auskunft über ihre Lärmbelästigung erteilt und wurden regelmäßig EKG-Untersuchungen unterzogen.
„Wir haben schon in mehreren Studien den Zusammenhang zwischen Lärm und Gefäßerkrankungen nachweisen können. Bisher fehlten explizite Untersuchungen inwieweit es einen Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und Herzrhythmusstörungen gibt“, sagt Hahads Kollege Thomas Münzel. Die Wissenschaftler untersuchten deshalb in ihrer Studie den Zusammenhang zwischen Lärmquellen am Tag und in der Nacht und der am häufigsten vorkommenden Herzrhythmusstörung, dem Vorhofflimmern.
Mehr Vorhofflimmern bei Fluglärm
Das Ergebnis: „Die Studienergebnisse zeigen erstmals auf, dass Lärmbelästigung durch verschiedene Quellen am Tag und beim Nachtschlaf mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern assoziiert ist“, berichtet Hahad. Bei Teilnehmern mit extremer Lärmbelästigung stieg die Häufigkeit für die Herzrhythmusstörung auf 23 Prozent. Bei den nicht von Lärm geplagten Teilnehmern litten dagegen nur 15 Prozent unter einem Vorhofflimmern. Die Effekte des Lärms waren auch dann noch nachweisbar, wenn andere Risikofaktoren berücksichtigt und herausgerechnet wurden.
Einen besonders hohen Anteil an der Lärmbelästigung hatte laut Studie der Fluglärm: Er war für 84 Prozent der Belastung am Tag und 69 Prozent in der Nacht verantwortlich. Straßenlärm und Krach in der Wohnumgebung trugen ebenfalls, wenngleich in geringerem Maße, zur Belastung bei. „Insgesamt konnten wir hierbei einen stärkeren Einfluss der nächtlichen Lärmbelästigung auf den Herzrhythmus beobachten“, so Hahad und seine Kollegen.
Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang
„Der Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und Vorhofflimmern ist ein wichtiger Befund, der vielleicht auch erklärt, warum Lärm zu mehr Schlaganfällen führen kann“, so Münzel. Zwar kann eine Kohortenstudie nur Korrelationen, aber keine kausalen Zusammenhänge belegen. Dennoch sehen die Forscher einige Indizien dafür, dass die Lärmbelästigung hier tatsächlich der Auslöser der vermehrten Herzrhythmusstörungen ist.
So haben frühere Studien bereits gezeigt, dass negative Emotionen zu einer drei bis sechsfachen Zunahme von Vorhofflimmern führen können. Hinzu kommt: „Eine Zunahme der Lärmbelästigung war mit einem ‚dosisabhängigen‘ Anstieg des Vorhofflimmerns verknüpft“, so die Forscher. Solche dosisabhängigen Korrelationen gelten als ein Indiz für einen möglichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang.
„Es ist daher verlockend anzunehmen, dass der von der Lärmbelästigung verursachte Stress zumindest teilweise für die erhöhte Häufigkeit des Vorhofflimmerns verantwortlich ist“, sagen die Wissenschaftler. In jedem Fall unterstreiche das Ergebnis, dass Lärmbelästigung ein verbreitetes und ernstzunehmendes Problem für die Gesundheit darstelle. (International Journal of Cardiology, 2018; doi: 10.1016/j.ijcard.2018.03.126)
(Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 04.05.2018 – NPO)