Die Eigendrehung der Elektronen – der „Spin“ – wird in der heutigen Elektronik noch kaum genutzt. Als Informationsträger eingesetzt, könnte er die Rechenleistung elektronischer Bauteile jedoch schlagartig vervielfachen. Jetzt ist es Physikern gelungen, den Elektronenspin auszurichten, zum kontrollierten „Torkeln“ zu bringen und auszulesen. Wie sie in „Nature“ berichten, konnten sie die Spins der Elektronen mittels optischer Impulse auch jederzeit beliebig neu ausrichten.
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Die gesamte heutige Elektronik gründet sich auf elektrische Ladung: Wenn eine Speicherzelle (Bit) elektrische Ladung enthält, entspricht dies logisch „1“, ist keine Ladung enthalten, entspricht dies logisch „0“. Aber Elektronen enthalten nicht nur Ladung – sie drehen sich auch wie ein Kreisel um die eigene Achse und erzeugen so ein Magnetfeld, ähnlich dem der Erde. Durch das Anlegen eines äußeren Magnetfelds kann man dieses Kreiseln beschleunigen oder verlangsamen, den „Kreisel“ zum Torkeln bringen und seine Achse in fast beliebige Winkel kippen.
Wenn man diese vielfältigen Möglichkeiten als Informationsträger nutzt, kann man mit einem Elektron sehr viel mehr Information als nur „0“ und „1“ speichern. Darüber hinaus können benachbarte Elektronen, da sie wie zwei Pinwand-Magnete Kräfte aufeinander ausüben, in verschiedene Konfigurationen gebracht werden, was die Datenspeicherung und -verarbeitung noch komplexer gestalten kann. Solche so genannten Quantenbits („qubits“) können schon in geringer Anzahl von nur einigen zig qubits anstelle einiger Millionen Bits sehr komplexe Rechenvorgänge ausführen.
Spins in Indium-Arsenid-Inseln eingesperrt
Natürlich ergibt ein einzelnes Elektron nur wenig messbare Wirkung. Dadurch sind Einzel-Elektronenmessungen nur mit höchstempfindlichen Instrumenten unter großen Schwierigkeiten durchführbar. Wissenschaftler der Ruhr- Universität Bochum haben es nun zusammen mit Kollegen aus Dortmund, St. Petersburg und Washington geschafft, rund eine Million Elektronen in jeweils fast genau gleiche Indium-Arsenid-Inseln („Quantendots“) einzusperren und ihre Wirkung zu addieren.
Diese „ensemble“- Messungen ergeben um sechs Größenordnungen stärkere Signale, die einfach aufzuzeichnen und sehr robust sind. „Entgegen den Vorurteilen vieler internationaler Konkurrenten verhalten sich dabei alle beteiligten Elektronenspins genau gleich und die mikroskopischen Effekte können daher sehr einfach gemessen werden“, erklärt Professor Andreas Wieck von der Ruhr Universität Bochum. „
Quantendots optisch geschaltet
In der in „Nature“ veröffentlichten Studie ist es nun gelungen, diese Elektronenspins nicht nur auszurichten, sondern auch optisch mit einem Laserpuls zu beliebigen Zeitpunkten in eine gewünschte Richtung zu drehen und diese Richtung mit einem weiteren Laserpuls auszulesen. „Das ist der erste, wichtige Schritt zu einer Adressierung dieser ‚quanten bits‘, die in künftigen Datenübertragungssystemen und Rechnern Einzug halten werden“, so Wieck.
„Das Interessante ist dabei, dass diese Elektronen in Festkörper eingeschlossen sind, man also nicht wie zum Beispiel bei der Quantenoptik aufwändige Höchstvakuumtechnik und allseitigen Lichteinschluss braucht, um sie dauerhaft in einem Bauelement halten zu können“, unterstreicht Wieck. Das Höchstvakuum wird nur einmal bei der Herstellung der Quantendots in Bochum benötigt, danach ist das Halbleitersystem gegen Lufteinfluss versiegelt, langlebig und zuverlässig wie alle heute schon verwendeten Transistoren und Speicherzellen.
(Ruhr-Universität Bochum, 25.03.2009 – NPO)