Unerwarteter Übergang: Forscher haben einen neuen Aggregatzustand entdeckt – flüssiges Glas. In diesem Zustand können sich Teilchen zwar noch seitlich gegeneinander verschieben, aber nicht mehr rotieren. Dadurch entsteht eine amorphe Struktur mit nur stellenweise gleichgerichteten Partikeln. Die Existenz dieses flüssigen Glases wurde schon vor 20 Jahren theoretisch vorhergesagt, aber erst jetzt ist der experimentelle Beleg gelungen.
Obwohl Glas ein allgegenwärtiges Material ist, gibt es noch immer Rätsel auf. Denn physikalisch gesehen ist es ein echter Sonderfall. Statt sich beim Erstarren zum Kristallgitter zu ordnen wie bei den meisten anderen Feststoffen, bleiben die Atome und Moleküle im Glas amorph: Sie sind auch im festen Zustand ungeordnet. Eine solche Verglasung kommt bei mineralischen Gläsern vor, aber auch bei Metallen, Kunststoffen wie Acryl oder sogar Biomolekülen.
Kolloide als „große Moleküle“
Warum dieser Übergang zum Glaszustand bei einigen Materialien stattfindet und bei anderen nicht und welche Faktoren dies auf molekularer Ebene beeinflussen, ist jedoch nur zum Teil aufgeklärt. Als ein Hilfsmittel, um den Glasübergang näher zu untersuchen, nutzen Wissenschaftler kolloidale Suspensionen – Flüssigkeiten, die feste Partikel enthalten. Aus Experimenten weiß man, dass auch solche Gemische bei entsprechender Teilchendichte zum amorphen Glas werden können.
„Diese Teilchen sind groß genug, um sie mit Lichtmikroskopen zu beobachten, aber klein genug, um länger in der Schwebe zu bleiben“, erklären Jörg Roller von der Universität Konstanz und seine Kollegen. Bisher allerdings wurden solche Untersuchungen fast immer mit kugelförmigen Mikropartikeln als Kolloiden durchgeführt. Der Großteil natürlicher und technischer Kolloide und Gläser besteht allerdings aus nicht-sphärischen Partikeln.