Paradoxer Genussfaktor: Wer den perfekten Espresso brühen möchte, sollte weniger Kaffee und eine gröbere Mahlung wählen als üblicherweise empfohlen. Denn das sorgt für einen optimalen Übergang des Aromas in das Getränk und vermeidet Verklumpungen im Pulver, wie Forscher herausgefunden haben. Positiv auch: Dieses Espresso-Rezept sorgt für eine einheitlichere Qualität der einzelnen „Shots“ – und macht das Ganze sparsamer.
Ob als Latte Macchiato, Cappuccino oder Espresso: Kaffee gehört zu den beliebtesten Getränken weltweit. Kein Wunder: Der koffeinhaltige Wachmacher bringt Kreislauf und Gehirn in Schwung, schützt Herz und Gefäße und könnte sogar gegen Parkinson helfen. Zudem hilft das schwarze Gebräu beim Teamwork und schon sein Duft kann die Matheleistungen fördern, wie Studien nahelegen.
Je feiner desto besser?
Doch wie sieht es mit dem Geschmack von Espresso und Co aus? „Der landläufigen Meinung nach sollte man den Kaffee feiner mahlen, wenn man einen stärkeren, vollmundigeren Kaffee möchte“, sagt Studienleiter Jamie Foster von der University of Portsmouth. „Denn je feiner die Bohnen sind, desto mehr Oberfläche haben sie.“ Die größere Oberfläche wiederum begünstigt den Übertritt von Aromastoffen aus dem Kaffeepulver in das Wasser.
Typischerweise geschieht dies beim Espresso in den 20 bis 30 Sekunden, in denen der heiße Wasserdampf unter hohem Druck durch das gepresste Kaffeepulver strömt. Typischerweise werden die Kaffeebohnen für den Espresso daher eher fein gemahlen. Für optimales Aroma empfiehlt die Specialty Coffee Association zudem rund sieben bis neun Gramm Kaffeepulver für eine kleine Tasse mit rund 20 bis 30 Gramm Espresso. Coffeeshop-Barista nutzen meist rund 20 Gramm Kaffeepulver für 40 Gramm fertigen Espresso.
Bitter und sauer statt vollmundig
Aber ergibt dieses Rezept wirklich den perfekten Espresso? Das haben Foster und sein interdisziplinäres Team aus Mathematikern, Chemikern und Baristas nun wissenschaftlich überprüft. Mithilfe eines eigens entwickelten Modells und praktischen Tests in einem Coffeeshop wollten sie herausfinden, wie Mahlgrad und Menge des Kaffeepulvers die Lösung der Aromastoffe und damit auch den Geschmack des Espressos beeinflussen.
Das überraschende Ergebnis: Entgegen den Erwartungen ergibt ein feiner gemahlenes Kaffeepulver keineswegs immer den aromatischeren Espresso – im Gegenteil. Der Kaffee schmeckte im Test häufig bitter oder sauer statt vollmundig. „Das tritt typischerweise auf, wenn einige Aromen übermäßig extrahiert wurden, andere dagegen zu wenig“, erklären die Forscher. Die Versuche ergaben zudem, dass die Qualität des Espressos bei feiner Mahlung stark zwischen den einzelnen Shots schwankte.
Klumpen im Pulver
Aber warum? Die Modellsimulationen enthüllten, dass ein sehr fein gemahlenes Kaffeepulver während des Brühens zum Verklumpen neigt. „Das Wasser kann durch diese verklumpten Bereiche nicht hindurchströmen“, erklärt Foster. „Einige Teile des Pulvers bleiben sogar völlig trocken.“ Dadurch findet die Extraktion der Aromastoffe nur noch in Teilen des Pulvers statt, zudem kommt das Wasser an manchen Stellen länger in Kontakt mit den Körnchen als an anderen.
Dieser Effekt erklärt den oft unausgewogenen Geschmack der mit feinem Pulver gebrühten Espressi, wie die Forscher erklären. Um ein optimales, gleichmäßig reproduzierbares Aroma zu bekommen, muss man daher versuchen, die Klumpenbildung zu vermeiden und trotzdem eine große Oberfläche zu schaffen.
Das perfekte Rezept – gibt es nur zum Teil
Was aber bedeutet dies ganz praktisch? Den Tests zufolge ist die Extraktion dann optimal, wenn man den Kaffee nicht feiner als auf Stufe 1,7 mahlt, eher ein wenig gröber. Zudem sollten Barista nur 15 Gramm Kaffeepulver statt der üblichen 20 Gramm pro Shot nehmen. „Es klingt zwar paradox, aber dann bekommt effiziente, gleichmäßig gute Shots“, sagt Koautor Christopher Hendon von der University of Oregon. Positiver Nebeneffekt: Man verbraucht weniger Kaffee und das wiederum spart Geld und Ressourcen.
Allerdings betonen auch die Wissenschaftler, dass der optimale Kaffeegeschmack immer auch eine Sache der persönlichen Vorlieben ist. „Wir können nur die Variablen beleuchten, die die verschiedenen Parameter dieses Geschmacksraums ausmachen“, sagt Hendon.
Wer aber einen besonders vollmundigen Espresso mit komplexem Aroma bekommen möchte, für den haben die Forscher noch einen Geheimtipp: Am besten schmeckt der Kaffee, wenn man den Espresso aus einem groben, schnellen Brühdurchgang mit einem langsameren, feineren kombiniert. (Matter, 2020; doi: 10.1016/j.matt.2019.12.019)
Quelle: University of Portsmouth