Neuartige Strukturen: Forscher haben erstmals würfel- und kugelförmige Nanokristalle zu übergeordneten Megakristallen kombiniert – einer neuartigen Form von sogenannten Supergittern. Diese bilden durch Selbstorganisation eine kubische, dem Perowskit ähnliche Struktur und zeigen besondere elektronische und optische Eigenschaften wie die Superfluoreszenz. Solche maßgeschneiderten Supergitter könnten ganz neue Anwendungen ermöglichen, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.
Ob Salzkörner, Eiskristalle oder Diamanten: Kristalle bestehen typischerweise aus Atomen oder Ionen, die in einem regelmäßigen Gitter angeordnet sind. Für die Stabilität des Gitters sorgen dabei verschiedene Bindungsformen – je nach Material kann dies eine auf dem Austausch von Elektronen beruhende Ionenbindung , eine kovalente Bindung oder aber eine Metallbindung sein.
Kristallgitter aus Nanokristallen
Doch seit einigen Jahren gibt es eine ganz neue Art von Kristallen. Bei diesen „Supergittern“ bestehen die Grundbausteine nicht aus einzelnen Teilchen, sondern aus winzigen Nanokristallen. Unter bestimmten Umständen, wie beispielsweise beim Verdampfen des sie umgebenden Lösungsmittels oder unter Laserbeschuss, ordnen sich diese Nanokristalle von selbst zu regelmäßigen Gitterstrukturen – quasi Kristallen aus Kristallen.
Solche Supergitter besitzen häufig ungewöhnliche elektronische und optische Eigenschaften. Einige leiten Elektronen besonders gut, andere sind effektive Katalysatoren oder zeigen eine Superfluoreszenz: Sie senden ultrakurze, extrem intensive Lichtpulse aus. Je nach Form und Größe ihrer Nanokristall-Bausteine lassen sich unterschiedliche Supergitter herstellen. Bislang allerdings dominierten dabei meist Megakristalle aus kugeligen Nanobausteinen.
Würfel und Kugeln im Wechsel
Eine ganz neue Art von Supergittern haben jetzt Ihor Cherniukh von der ETH Zürich und seine Kollegen entwickelt – und es damit sogar auf die Titelseite der „Nature“ geschafft. Das Besondere an ihren Megakristallen: Sie bestehen sowohl aus würfeligen wie auch aus kugeligen Nanokristallen. „Unseres Wissens nach wurden solche gemischten Supergitter bisher noch nie hergestellt“, sagt das Team. „Wir zeigen nun, dass eine solche Kombination von kubischen und kugeligen Nanokristallen experimentell möglich ist.“
Die Bausteine des neuartigen Supergitters bestehen zum einen aus würfelförmigen Nanokristallen des Perowskit-Minerals Cäsium-Blei-Bromid (CsPbBr3). Dazu kommen kugelige Kristalle aus Magnetit (Fe3O4) oder einer Verbindung aus Natrium, Gadolinium und Fluor (NaGdF4). Werden diese Nanokristalle kombiniert, ordnen sie sich von selbst zu regelmäßigen, kubischen Gittern an.
Gitterstruktur wie ein Perowskit
Die Gitterstruktur der neuen Megakristalle ähnelt je nach Größe der Nanokristallbausteine einer kubischen Kristallstruktur wie beim Kochsalz oder aber einem Gitter ähnlich dem von Perowskit-Mineralen. Diese besitzen eine Kristallstruktur, in der die drei sie bildenden Ionensorten besonders eng gepackt sind. Diese Minerale besitzen zudem besondere elektronische Eigenschaften, die sie zu einem begehrten Material unter anderem für Solarzellen und optoelektronische Bauteile machen.
Die neuen Supergitter zeigen nun die gleiche Struktur, nur dass anstelle der Ionen die verschieden geformten Nanokristalle treten. Zudem sind die einzelnen Bausteine diesen Gitter nicht über eine Ionenbindung miteinander verknüpft, sondern werden letztlich allein durch die Kraft der Entropie zuordnet und zusammengehalten. Denn durch das Bestreben der Natur, die verschiedenen geformten Nanokristalle sozusagen maximal unordentlich zu verteilen, entsteht eine besonders dichte, regelmäßige Packung.
Superfluoreszenz erzeugt ultrakurze Lichtpulse
Das Besondere an den Supergittern nach Perowskit-Vorbild ist, dass auch sie die begehrten Eigenschaften ihres Vorbilds besitzen. So zeigen die Megakristalle aus CsPbBr3 und NaGdF4 eine starke Superfluoreszenz. Dabei erzeugen die Wechselwirkungen im Kristall Anregungszustände, deren Energie sich in ultrakurzen, aber sehr starken kollektiven Lichtpulsen entlädt, wie das Forschungsteam berichtet. Solche Emitter könnten beispielsweise in der Quantentelekommunikation und anderen optoelektronischen Anwendungen genutzt werden.
Noch aber sind die Merkmale dieser neuartigen Megakristalle kaum erforscht: „Wir stehen noch ganz am Anfang: Welche physikalischen Eigenschaften weisen solche schwach gebundenen Supergitter auf und wie hängt ihre Struktur mit den beobachteten Eigenschaften zusammen? Können wir sie für bestimmte technische Anwendungen nutzen? Nach welchen mathematischen Gesetzen bilden sie sich?“, beschreibt Teamleiter Maksym Kovalenko von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa die offenen Fragen. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03492-5)
Quelle: Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt