Einstein im Beschleuniger: Physiker haben Materieteilchen aus purem Licht erzeugt – durch die Kollision von energiereichen Photonen in einem Teilchenbeschleuniger. Dabei entstanden Paare von Elektronen und Positronen, wie vor fast 90 Jahren durch eine Konkretisierung von Einsteins berühmter Formel E=mc2 vorhergesagt. Die jetzt nachgewiesene Umwandlung ist der erste direkte Beleg, dass aus der Kollision zweier Lichtteilchen ohne weitere Schritte direkt Materie entstehen kann.
Einsteins berühmte Formel E=mc2 beschreibt eine erstaunliche Erkenntnis: Materie und Energie sind äquivalent und können sich ineinander umwandeln. In der einen Richtung können wir diese Umwandlung jedem Tag am Himmel sehen: In der Sonne verschmelzen Atomkerne miteinander und dabei wird aus dieser Materie Energie in Form von Strahlung freigesetzt. Auch bei der Explosion einer Atombombe wird Materie in Energie umgewandelt.
Kollidierende Lichtteilchen erzeugen Materieteilchen – in der Theorie
Doch wie ist es mit dem umgekehrten Weg? Wie Materie aus Licht entstehen kann, postulierten schon im Jahr 1934 die beiden Physiker Gregory Breit und John Wheeler. Sie bewiesen in ihrer Theorie, dass die Kollision zweier sehr energiereicher Photonen ausreicht, um ein Elektron und ein Positron zu erzeugen – und damit Materieteilchen.
Das Problem: „Breit und Wheeler war bereits klar, dass dies fast unmöglich praktisch umzusetzen wäre“, erklärt Zhangbu Xu vom Brookhaven National Laboratory. Denn um diese direkte Umwandlung zu bewirken, benötigt man einen Laser, der energiereiche Gammastrahlen-Photonen in einem hochkonzentrierten Stahl abgibt. Einen solchen Laser gibt es jedoch bis heute nicht.
Zwar haben Physiker vor einigen Jahren eine Methode vorgeschlagen, durch die auch normale Laser über eine Art quantenphysikalische Kettenreaktion Materieteilchen erzeugen könnten. Experimentell umgesetzt wurde sie aber noch nicht.
Photonenwolken im Teilchenbeschleuniger
Es gibt aber einen anderen Weg, um Materie aus Licht zu erschaffen – wie auch schon Breit und Wheeler postulierten: Statt eines Photonenstrahls nutzt man beschleunigte Schwerionen als Lichtquelle. Möglich ist dies, weil solche stark positiv geladenen Atomkerne bei hoher Beschleunigung starke elektromagnetische Felder um sich herum erzeugen. Unter bestimmten Bedingungen gleichen ihre physikalischen Merkmale denen von Photonen.
Ein Goldkern oder anderes Ion ist dadurch bei seinem Flug durch den Teilchenbeschleuniger von einer Art Wolke aus Lichtteilchen umgeben. Wenn nun zwei solcher Atomkerne im Beschleuniger aufeinander zu rasen und einander knapp verfehlen, kommt es zwischen ihren Photonenwolken zu Interaktion. Einige der stark beschleunigten und extrem energiereichen Lichtteilchen kollidieren und es entstehen Paare von Elektronen und Positronen – so die Theorie.
Ob das auch praktisch funktioniert, haben nun Xu und seine Kollegen von der STAR-Kollaboration mithilfe des STAR-Detektors am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) in Brookhaven getestet.
Elektron-Positron-Paare als Beleg
Für ihr Experiment beschleunigten sie Goldkerne bis auf 99,99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit und ließen die Teilchenstrahlen kollidieren. In den dabei freigesetzten Zerfallsprodukten suchten sie nach Paaren von Elektronen und Positronen, deren Flugbahnen, Energie, Massenverteilung und Quantenzustände dem entsprechen, was für den Breit-Wheeler-Effekt unter diesen Bedingungen vorhergesagt ist.
Insgesamt spürten die Physiker 6.085 Elektron-Positron-Paare auf, die die passenden Merkmale aufwiesen. Diese Materieteilchen entsprechen demnach genau dem, was die Physik für die Entstehung von Materie aus Photonenkollisionen vorhersagt. In zusätzlichen Tests überprüften die Physiker zudem, ob die im Umfeld der Atomkerne erzeugten Photonen den Merkmalen normaler Lichtteilchen entsprechen – was ihren Angaben zufolge der Fall war.
Breit-Wheeler-Effekt bewiesen?
„Unsere Ergebnisse liefern einen klaren Beleg für die direkte, in einem Schritt ablaufende Erzeugung von Materie-Antimaterie-Paaren aus der Kollision von Licht – so wie es von Breit und Wheeler theoretisch beschrieben worden ist“, sagt Daniel Brandenburg vom Brookhaven Laboratory. Sollte sich dies bestätigen, könnte die direkte Umwandlung von Licht in Materie erstmals experimentell bewiesen worden sein. (Physical Review Letters, 2021; doi: 10.1103/PhysRevLett.127.052302)
Quelle: Brookhaven National Laboratory