Unsichtbares sichtbar gemacht: Dank eines physikalischen „Zaubertricks“ kann man zusehen, wie ein Öltropfen einzelne Elektronen aufnimmt – und sie sogar zählen. Denn der in der Schwebe gehaltene Tropfen springt für jedes aufgenommene Elektron einen Millimeter höher. Ein spezielles Ensemble von Linsen und Lasern vergrößert das Geschehen so weit, dass es mit bloßem Auge sichtbar wird und gefilmt werden kann.
Elektronen sind die Basis für chemische Reaktionen, die Elektrizität und eine Vielzahl anderer physikalischer Phänomene. Dass hinter dem elektrischen Strom einzelne Teilchen mit fest definierter Elementarladung stecken und wie hoch diese ist, bewies im Jahr 1909 der US-Physiker Robert Millikan mit einem Experiment. Seither haben Laser und moderne Analysemethoden es deutlich einfacher gemacht, den Ladungsaustausch zwischen Molekülen oder die Elektronensprünge im Atom zu detektieren.
Millikans Versuch auf moderne Art
Eines fehlte allerdings bisher: Eine Methode, mit der die Absorption einzelner Elektronen nicht nur indirekt nachgewiesen werden kann, sondern direkt sichtbar wird. Wie dies trotz der winzigen Größe des Elektrons sogar mit bloßem Auge möglich ist, demonstriert nun ein Experiment. Javier Marmolejo und seine Kollegen von der Universität Göteborg haben sich dafür den Ansatz von Millikan zum Vorbild genommen und ihn mit modernen Methoden verfeinert.
„Robert Millikan demonstrierte, dass die Ladung des Elektrons gequantelt ist, indem er hunderte Öltröpfchen durch ein elektrisches Feld fallen ließ“, erklärt Marmolejo. Mithilfe statistischer Auswertungen konnte er dann nachweisen, dass sich die Tropfen in diesem Feld anders bewegen als ohne dieses. „Wir haben jetzt eine moderne Version dieses Experiments entwickelt, bei dem wir einen einzelnen Tropfen mithilfe eines Lasers in der Luft schweben lassen“, so der Wissenschaftler.
Ein Sprung bei jedem Elektron
Der Versuchsaufbau besteht aus einem grünen, von einer Linse fokussierten Laserstrahl, der senkrecht nach oben strahlt. In der gleichen Richtung wird von zwei Elektroden ein starkes elektrisches Feld erzeugt, dass als Messfeld dient. In den Brennpunkt des fokussierten Laserlichts wird nun ein 29 Mikrometer kleines Tröpfchen aus Silikonöl gegeben. Der Strahlungsdruck des Lichts reicht aus, um das Tröpfchen ruhig in der Schwebe zu halten.
Nun folgt der entscheidende Schritt: Mithilfe eines seitlich angebrachten Alphastrahlers aus radioaktivem Americium führten die Forscher dem Tropfen einzelne Elektronen zu. Die vom Americium freigesetzten Alphateilchen interagierten dabei mit den Elektroden und der Luft und erzeugten so freie Elektronen. Diese wurden vom Tropfen aufgenommen und übertrugen dabei ihre negative Ladung. Dies führte dazu, dass der Tropfen bei jedem absorbierten Elektron einen kleinen Sprung aufwärts machte – seine zunehmende negative Ladung führte zur Positionsveränderung im elektrischen Feld.
Lineal macht Ladungsaufnahme messbar
Der Clou dabei: Diese Sprünge lassen sich schon mit geringer Vergrößerung erkennen und filmen. „Indem wir das Bild des Tropfens mit einer Linse vergrößert haben, konnten wir den Effekt jedes einzelnen Elektrons beobachten und sogar mit einem Lineal messen“, berichtet Marmolejo. „Der hell angestrahlte Tropfen bewegte sich demnach für jedes absorbierte Elektron einen Millimeter höher.“ Der Effekt der einzelnen Elektronen lässt sich so auf ganz neue Weise quantifizieren.
„Das ist unglaublich, wenn man sich klarmacht, dass man hier nur ein Elektron zu den rund 3,7 Billiarden schon im Tropfen vorhandenen Elektronen hinzufügt“, betonen die Forscher. „Dennoch ist der Effekt mit bloßem Auge sichtbar.“ Das Experiment macht es damit möglich, die Quantelung von Elektronen und damit eine grundlegende physikalische Eigenschaft, in die makroskopische Welt zu bringen. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-89714-2)
Quelle: The Swedish Research Council