Forscher haben erstmals eine lebende Pflanze elektrisch „aufgerüstet“: Sie schleusten ein elektrisch leitendes Polymer in die Gewebe einer Rose ein und erzeugten so funktionierende Elektronik-Bauteile. Ihr Stängel wurde so zum Bio-Transistor und ihr Blatt zum elektronisch schaltbaren Display. Der Sinn dahinter: Ein solcher „Pflanzen- Cyborg“ macht es möglich, subtile Prozesse im Inneren der Pflanze zu „belauschen“, könnte aber auch Energie aus der Fotosynthese abzapfen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Pflanzen sind höchst ausgeklügelte und komplexe Systeme: Über ein ganzes Orchester aus chemischen, biologischen und elektrischen Signalen steuern sie nicht nur ihr eigenes Wohlergehen und Wachstum, sie reagieren auch auf Umweltreize, kommunizieren mit Nachbarn und Helfern oder wehren Feinde ab. Das Problem dabei: Diesen subtilen Signalen auf die Spurt zu kommen, ist auch für Biologen nicht leicht – man „steckt ja nicht drin“, wie es so schön heißt.
Doch genau das könnte sich künftig ändern. Denn Eleni Stavrinidou von der schwedischen Linköping Universität und ihre Kollegen haben nun eine Methode entwickelt, die die Pflanzen sozusagen von innen heraus belauschen kann. Für ihre „Cyborg“-Rose stellten sie eine Schnittrose in Wasser, dem sie das gelöste Polymer PEDOT-S:H zugaben. Diese organische Verbindung ist elektrisch leitfähig und ist besonders biokompatibel, wie die Forscher berichten.
Ein Transistor im Rosenstängel
Ein weiterer Vorteil: „Diese organischen Elektronikmaterialien können in nahezu jede beliebige Form gebracht werden, indem man weiche und sogar lebende Systeme als Schablonen nutzt“, so Stavrinidou. Die Rose saugte das Polymer mit dem Wasser in ihre Leitbündel, das sogenannte Xylem, ein. Wie Untersuchungen zeigten, entstand dadurch ein bis zu zehn Zentimeter langes Leiterkabel, das aber dennoch Wasser und Nährstoffe hindurchließ.
Dieses Leiterkabel und die natürlicherweise in der Pflanze vorhandenen Elektrolyten bildeten zusammen einen organischen elektrochemischen Transistor (OECT). Dieser besaß die gleichen funktionellen Grundbausteine wie ein siliziumbasierter Transistor, wie die Forscher berichten. Als Äquivalent zur Eingabe digitaler Nullen und Einsen diente dabei das Ein- und Ausschalten einer leichten Spannung am Rosenstängel. Sogar ein NOT-OR-Gate konnten die Wissenschaftler dadurch im lebenden Rosenstängel realisieren.
Display im Blattgewebe
Ebenfalls mit Hilfe eines PEDOT-Polymers wandelten die Forscher ein Blatt der Rose in ein elektronisches Display um. Dazu schleusten sie das Polymer über die Spaltöffnungen in das schwammartige Grundgewebe des Blattes ein. „Das Ergebnis war ein Blatt mit einem zweidimensionalen Netzwerk aus teilweise mit dem Polymer gefüllten Kompartimenten“, berichten Stavrinidou und ihre Kollegen.
Wenn nun von außen eine Elektrode an das Blatt gehalten wurde, reagierte das elektronische Netzwerk im Inneren mit den im Gewebe vorhandenen Ionen. Je nach Füllstand und Verbindung löste dies einen Farbwechsel der Kompartimente aus. Nach Angaben der Forscher könnte ein solches System weiterentwickelt werden, um beispielsweise als Sensor und Nachweis für bestimmte biochemische Prozesse im Blattgewebe zu dienen.
Grüne Energie und Bioantennen
„Das hat noch niemand bisher gemacht – zumindest kennen wir keine Berichte von in Pflanzen produzierter Elektronik“, sagt Seniorautor Magnus Berggren. Er sieht in solchen „Cyborg“-Pflanzen jedoch ein neues und vielversprechendes Forschungsfeld: „Wir können Sensoren in Pflanzen platzieren und die im Chlorophyll erzeugte Energie nutzen, aus ihnen grüne Antennen machen oder neuartige Materialien erzeugen. Und alles indem wir einfach die sehr fortgeschrittenen, einzigartigen Systeme der Pflanzen selbst nutzen.“
Bisher haben die Wissenschaftler ihre Experimente mit Schnittrosen durchgeführt. Ihre Pflanzen-„Cyborgs“ fingen daher nach ein paar Tagen an zu welken, wie es auch ohne Elektronik-Ausrüstung der Fall wäre. Doch zukünftig könnte eine solche Bioelektronik auch in noch verwurzelte Pflanzen eingeschleust werden und damit deutlich länger leben. (Science Advances, 2015; doi: 10.1126/sciadv.1501136)
(AAAS / Liköping Universität, 23.11.2015 – NPO)