Kleiner als eine Briefmarke: Britische Forscher haben das erste Gravimeter im Mikromaßstab konstruiert. Der winzige Schwerefeld-Sensor ist nur 15 Millimeter groß und 25 Milligramm schwer. Trotzdem registriert er selbst geringe Schwankungen der Erdbeschleunigung, ohne sich durch Alltagserschütterungen stören zu lassen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Der kleine und billige Sensor könnte daher ganz neue Anwendungen ermöglichen.
Die Gravitationswirkung unseres Planeten ist für uns deutlich spürbar – sonst würden wir schweben. Doch diese Erdbeschleunigung ist keineswegs überall gleich: Die Dicke der Erdkruste, Hohlräume, auflagernde Eismassen und sogar der Grundwasserstand beeinflussen das lokale Schwerefeld der Erde. Die Anziehungskräfte des Mondes und der Sonne sorgen zudem dafür, dass sich das Schwerefeld der Erdkruste im Takt der Gezeiten hebt und senkt.
Groß und teuer
Messen lassen sich die Veränderungen der lokalen Erdbeschleunigung sowohl absolut als auch relativ – beispielsweise über das Verhalten einer trägen Masse an einer Feder. „Alle bisherigen Gravimeter sind jedoch enorm teuer – mehr als 100.000 US-Dollar – und ein hohes Gewicht von mindestens acht Kilogramm“, erklären Giles Hammond von der University of Glasgow und seine Kollegen. Für mobile Messungen eignen sich diese Geräte daher nur eingeschränkt.
Es gibt jedoch durchaus Beschleunigungssensoren, die wesentlich kleiner und billiger sind – sie stecken heute in jedem Smartphone. Diese mikro-elektromechanischen Systeme (MEMS) waren bisher jedoch nicht störungsfrei und stabil genug, um auch die niederfrequenten Veränderungen des Schwerefelds erfassen zu können, wie die Forscher erklären.
Hammond und seine Kollegen haben nun erstmals einen MEMS-Beschleunigungssensor konstruiert, der sensibel und gleichzeitig störungsfest genug ist, um die Erdgezeiten anhand des lokalen Schwerefelds zu messen. Ihr neuer Sensor ist dabei gerade einmal 15 Millimeter groß und wiegt 25 Milligramm.
Prüfmasse im Silizium-Gerüst
Der Sensor besteht aus einem U-förmigen Siliziumgerüst, in dem eine winzige Prüfmasse an Sprungfedern elastisch aufgehängt ist. Auf einer Seite dieser plattenförmigen Masse sitzt eine LED, auf der anderen ein Lichtsensor. Wird nun die Masse ausgelenkt, verändert sich der Schatten, den sie auf den Sensor wirft.
Aus dem Grad der Lichtänderung ermittelt das Gerät, wie sich die Erdbeschleunigung ändert. Damit dieser winzige Beschleunigungssensor nicht auf sämtliche Erschütterungen reagiert, sind Federaufhängungen und Messmasse so gewählt, dass sie nur bei sehr niederfrequenten Veränderungen von weniger als vier Herz reagieren. Eine Kupferhülle sorgt zudem dafür, dass die Temperatur möglichst stabil bleibt, wie die Forscher erklären.
Misst Gezeiten und findet Tunnel
Um das Mini-Gerät zu testen, nutzten die Forscher es, um damit die Gezeitenschwankungen des Schwerefelds in Glasgow zu messen. Dabei zeigte sich: Die vom Sensor aufgezeichneten Schwankungen entsprechen ziemlich genau den theoretisch durch die Gezeitenkräfte erwarteten. „Aus unseren Ergebnissen können wir schließen, dass unser MEMS-Sensor eine Sensitivität von 40 Mikrogal pro halbem Herz besitzt“, so die Forscher.
Zum Vergleich: Diese Messgenauigkeit wäre ausreichend, um mit dem Mini-Gerät einen Tunnel in zwei Metern Tiefe allein anhand seiner Schwerkraftwirkung nachweisen. „Man könnte damit auch Ölreservoire aufspüren, die in 150 Metern Tiefe liegen und eine Seitenlänge von 50 Metern besitzen“, sagen Hammond und seine Kollegen.
Ganz neue Anwendungen
Damit qualifiziert sich dieses Mikrogerät nach Ansicht der Forscher klar als Gravimeter und ist nicht nur ein simpler Beschleunigungssensor. „Obwohl er nur aus einem Siliziumchip von der Größe einer Briefmarke gemacht wurde, hat dieser Sensor die niedrigste Resonanzfrequenz aller MEMS-Beschleunigungssensoren und besitzt die beste Störfestigkeit aller MEMS-Geräte überhaupt“, betonen Hammond und seine Kollegen.
Weil das neue Mikro-Gravimeter billig und einfach in Massenproduktion herzustellen ist, könnte es ganz neue Anwendungsbereiche erschließen: „Man könnte es in Drohnen einbauen und für die Suche nach Öl- oder Gasvorkommen einsetzen“, sagen die Wissenschaftler. „Beim Bau könnte es genutzt werden, um unterirdische Tunnel oder Leitungskanäle zu finden.“ Ganze Netzwerke solcher Minisensoren könnten zudem als günstige Frühwarnsysteme an Vulkanen und anderen Gefahrenstellen dienen. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17397)
(Nature, 04.04.2016 – NPO)