Skurril: Physiker haben eine Nanostruktur erzeugt, die einem langen, gezwirbelten Schnurrbart gleicht. Dieser besteht aus einem Eisen-Atom mit seitlich angelagerten Kohlenstoff-Atomen. Das Ganze hat auch einen tieferen Sinn: Denn mit Hilfe einer neuen Methode haben die Wissenschaftler erkundet, wie sich am besten bilateral-symmetrische Nanostrukturen züchten lassen – also Formen, die zwei Spiegelachsen besitzen. Die Nano-Schnurrbärte könnten daher wegweisend sein auch für die Bildung komplexerer Nanostrukturen, so die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Nanomaterialien weisen einzigartige Eigenschaften auf, die nur dann zur Geltung kommen, wenn die Strukturen winzig klein sind. Um sich diese besonderen Eigenschaften zunutze zu machen, muss man allerdings die gewünschten Nanostrukturen gezielt herstellen können und verstehen, warum sie diese oder jene Form annehmen. Denn im Gegensatz zu großen Werkstücken lassen sich die mikroskopisch kleinen Nanobauteile nicht einfach zusammenschrauben. Stattdessen müssen Forscher Bedingungen schaffen, unter denen sich diese Strukturen quasi wie von selbst bilden.
Wenn Eisenatomen ein Schnurrbart wächst
Im großen Vorbild Natur wachsen viele organische Formen bilateral-symmetrisch, das heißt entlang von zwei Spiegelachsen – ähnlich wie beispielsweise der menschliche Körper. Wie sich solche Strukturen auch in der Nanowelt erzeugen lassen, hat jetzt ein internationales Forscherteam mit Hilfe einer neuen Methode ausprobiert. Die Wissenschaftler setzten dafür ein Gas mit Kohlenstoff- und Eisen-Atomen bei hohen Temperaturen unter Druck. Nach einer Weile begannen ganz spontan zwei Arme aus Kohlenstoff-Atomen von einem Eisenkern ausgehend zu wachsen.
Bei ausreichend kleinen Eisenkernen fingen die Kohlenstoff-Arme an, sich an ihren Enden spiralförmig einzudrehen, sodass die ganze Nano-Struktur eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem gezwirbelten Schnurrbart aufweist. „Die ermutigenden Erkenntnisse aus unseren Experimenten bieten einen sehr guten Ausgangspunkt für die kontrollierte Herstellung von außergewöhnlichen neuen Materialien mit vordefinierten Nanostrukturen“, betont Erstautor Hidetsugu Shiozawa von der Universität Wien.
Fehler im Muster verraten Wachstumsgeschichte
Um mehr über den internen Aufbau der Nano-Schnurrbärte herauszufinden, schnitten die Forscher ihr Nano-Material in extrem dünne Scheiben und benützten ein Elektronenmikroskop, um diese Scheiben und vor allem ihren Entstehungsverlauf genauer zu analysieren. Denn wenn sich Nanostrukturen ausbilden, bilden sich hin und wieder auch strukturelle Fehlstellen im Material, die etwas über ihren Wachstumsprozess verraten. Die Art und Weise, wie die strukturellen Fehlstellen im beobachteten Fischgrätmuster der aufgeschnittenen Nano-Schnurrbärte verteilt waren, erlaubte den Wissenschaftlern quasi einen Blick in die Vergangenheit und lieferte weitere Informationen über die Bildung des Nanomaterials.
Für künftige Anwendungen ist es wichtig, diese Erkenntnisse auf das Wachstum von Nano-Strukturen in zwei oder drei Dimensionen zu übertragen, um so regelmäßige Muster und Netzwerke auf der Nano-Skala herzustellen. Die Wissenschaftler haben es sich deshalb zum Ziel gesetzt, noch mehr über den Mechanismus zu erfahren, der hinter der Ausformung der Nano-Schnurrbärte steckt und wollen in künftigen Forschungsprojekten mehrdimensionale und noch komplexere Nano-Strukturen züchten. (Scientific Reports, 2013; doi: 10.1038/srep01840)
(Universität Wien, 17.05.2013 – NPO)