Rekord im heißen Plasma: Der Fusionsreaktor Wendelstein 7-X hat einen weltweiten Rekord aufgestellt. Er erreichte einen für Reaktoren des Typs Stellarator neuen Höchstwert für das sogenannte Fusionsprodukt, eine Kombination aus Plasmahitze, Dichte und Einschlusszeit. Damit kommt der Versuchsreaktor den Bedingungen für ein Fusionskraftwerk einen weiteren Schritt näher, wie die Forscher berichten.
Die Kernfusion gilt als eine mögliche Energie der Zukunft. Doch bisher wird die Technologie erst in Forschungsreaktoren getestet. Dabei haben sich zwei Varianten des „Magnetkäfigs“ für das heiße Plasma etabliert, der Tokamak und der Stellarator. Die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator ist der Wendelstein 7-X in Greifswald. Die Anlage soll beweisen, dass Stellaratoren kraftwerkstauglich sind. Sie hat am im Dezember 2015 seinen Betrieb aufgenommen und im Februar 2016 sein erstes Wasserstoff-Plasma erzeugt.
Stellarator-Rekord im Fusionsprodukt
Jetzt hat Wendelstein 7-X einen Rekord aufgestellt. Denn er erreichte nie zuvor gemessene Höchstwerte für das sogenannte Fusionsprodukt. Dieses Produkt aus Ionentemperatur, Plasmadichte und Energieeinschlusszeit gibt an, wie nahe man den Reaktorwerten für ein brennendes Plasma kommt. In den Testdurchgängen des Jahres 2017 wurde das Plasma im Reaktor auf rund 40 Millionen Grad Ionentemperatur aufgeheizt und hatte eine Dichte von 0,8 x 10 hoch 20 Teilchen pro Kubikmeter.
Unter diesen Bedingungen erreichte Wendelstein 7-X ein Fusionsprodukt von gut 6 x 10 hoch 26 Grad mal Sekunde pro Kubikmeter – weltweiter Stellarator-Rekord. „Dies ist ein für die Größe der Maschine ausgezeichneter Wert, der zudem unter realistischen Bedingungen, das heißt bei hoher Temperatur der Plasma-Ionen erreicht wurde“, sagt Thomas Sunn Pedersen vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik.
Einschlusszeit und „Bootstrap-Strom“
Der Fusionsreaktor erzielte dabei eine relativ gute Einschlusszeit, wie die Forscher berichten. Sie ist ein Maß für die Güte der Wärmeisolation des magnetisch eingeschlossenen Plasmas. Der Wert von 200 Millisekunden deutet darauf hin, dass die Wendelstein 7-X zugrundeliegende rechnerische Optimierung greift: „Das stimmt uns für die weitere Arbeit optimistisch“, so Sunn Pedersen.
Wie die Wissenschaftler berichten, verhält sich auch der sogenannte Bootstrap-Strom wie gewünscht. Dieser elektrische Strom wird von Druckunterschieden im Plasma hervorgerufen und könnte das maßgeschneiderte Magnetfeld verformen. Teilchen aus dem Plasmarand träfen dann nicht mehr an den richtigen Stellen auf den Divertor auf. Der Bootstrap-Strom sollte in Stellaratoren daher so klein wie möglich sein. Analysen bestätigten, dass dies in den Tests gelungen ist.
Neue Kacheln und Anlagenteile
Diese Erfolge verdankt der Fusionsreaktor einigen Verbesserungen, die nach der ersten Laufzeit 2015/2016 eingebaut worden waren. Unter anderem wurde das Plasmagefäß von Wendelstein 7-X mit einer neuen Innenverkleidung ausgerüstet. Kacheln aus Grafit bedecken jetzt die Gefäßwände und machen höhere Temperaturen und längere Plasmaentladungen möglich. Sie schützen speziell die Wandbereiche, auf die entweichende Teilchen aus dem Rand des Plasmaringes gelenkt werden.
Waren am Ende der ersten Kampagne Pulsdauern von sechs Sekunden zu erreichen, sind nun bis zu 26 Sekunden lange Plasmen möglich. Dabei konnten bis zu 75 Megajoule Heizenergie in das Plasma eingespeist werden – 18 Mal mehr als in der ersten Betriebsrunde ohne Divertor. Auch die Heizleistung konnte erhöht werden – eine Voraussetzung für hohe Plasmadichte.
Seit Ende 2017 liefen an Wendelstein 7-X weitere Ausbauten: Unter anderem wurden neue Messgeräte und Heizsysteme installiert. Im Juli sollen die Plasmaexperimente wieder beginnen. Ab Herbst 2018 ist dann ein größerer Ausbau geplant: Die jetzigen Graphitkacheln des Divertors werden durch kohlenstofffaserverstärkte Kohlenstoff-Elemente ersetzt, die zusätzlich wassergekühlt sind. Sie sollen bis zu 30 Minuten lange Entladungen möglich machen, in denen überprüft werden kann, ob Wendelstein 7-X seine Optimierungsziele auch dauerhaft erfüllt.
(Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, 26.06.2018 – NP)