Klima

Gefahr eines „nuklearen Winters“ noch akut

Auch lokaler Atomwaffen-Einsatz könnte zehn Jahre Klimaabkühlung nach sich ziehen

Atombombentest "Romeo" im Jahr 1954 auf dem Bikini-Atoll. © DOE

Selbst ein lokaler Atomwaffen-Konflikt, beispielsweise zwischen Indien und Pakistan, könnte eine global über Jahre spürbare Abkühlung des Klimas auslösen. Das zeigen Modellrechnungen eines Klimaforschers, der jetzt in „Nature“ an die noch immer akute Gefahr eines „nuklearen Winters“ erinnert und für weitere Abrüstungsbemühungen plädiert.

Der Begriff „nuklearer Winter” wurde 1983 durch einen „Science“-Artikel des Astrophysikers Carl Sagan und seiner Kollegen geprägt. Die Forscher beschrieben darin den dramatischen Effekt, den ein Atomkrieg auf das Klima der Erde haben könnte. Mit Hilfe von Klimamodellen ermittelten sie, dass ein Einsatz von einem Drittel des damals zur Verfügung stehenden Atomwaffenarsenals so viel Rauch und Aerosole freisetzen würde, dass die Temperaturen auf der gesamten Erdoberfläche stark abfallen. Der resultierende, über Monate anhaltendende Winter würde das Pflanzenwachstum stören und Ernteausfälle und Hungersnöte auslösen. Dieses Szenario, zusammen mit dem Ende des kalten Krieges, trug in den folgenden Jahren dazu bei, das Atomwaffenarsenal der Supermächte deutlich zu reduzieren.

Bedrohung noch immer akut

Doch damit ist die Gefahr noch nicht gebannt, mahnt jetzt der Klimaforscher Alan Robock von der amerikanischen Rutgers Universität. „Viele, die den nuklearen Winter als Konzept akzeptieren, denken, dass dieses Szenario nur auf einen Massenkonflikt zutrifft, in einem Maßstab, wie er in der modernen Welt nicht länger denkbar ist“, erklärt Robock. „Aber das ist falsch.“ Andere hielten die Theorie schlicht für längst wiederlegt, so der Forscher weiter. Doch dass ein Atomkrieg eine Abkühlung der Temperaturen mit sich bringen kann, sei unter Klimaforschern nicht umstritten. Die Meinungen gingen nur darüber auseinander, wie stark und global gleichmäßig dieser „Winter“ wäre.

Der bereits in den 1980er an der Erforschung des nuklearen Winters beteiligte Wissenschaftler hat jetzt erneut gemeinsam mit Kollegen die möglichen Klimawirkungen von Atomexplosionen analysiert – diesmal mit Hilfe der aktuellen, weitaus umfassenderen und genaueren Klimamodelle. Die neuen Berechnungen zeigen, dass auch schon ein lokaler, mit Atomwaffen ausgetragener Konflikt schwerwiegende Klimafolgen haben kann.

Klimafolgen nach der Freisetzung von fünf Megatonnen schwarzem Rauch © Robock et al. / Nature

Zehn Jahre Abkühlung nach Atomkonflikt Indien-Pakistan

Würden beispielsweise die beiden Atommächte Indien und Pakistan einen „kleinen“ Atomkrieg beginnen und dabei jeweils Bomben des Äquivalents von 50 Hiroshimabomben zünden, könnte dies einen in der menschlichen Geschichte beispiellosen Klimawandel hervorrufen. „Fünf Millionen Tonnen schwarzer Rauch würden dann aus den brennenden Megacities in die obere Troposphäre aufsteigen und dann durch die Sonnenwärme bis in die Stratosphäre transportiert“, beschreibt Robock. Der Rauch verteilt sich dann rund um den Globus und wirkt wie ein „Sonnenschirm“. Die Folge: Die Erdoberfläche erhält weniger Sonneneinstrahlung und kühlt sich ab.

Die Temperaturen in den ersten Tagen und Wochen nach dem Atomwaffeneinsatz könnten, so die Berechnungen, sogar tiefer sinken als während der so genannten kleinen Eiszeit vor rund 500 Jahren. Für mehrere Jahre würde sich die Vegetationsperiode in den gemäßigten Breiten verkürzen, die Abkühlung insgesamt könnte bis zu einer Dekade anhalten. In seinem Kommentarartikel Robock appelliert der Forscher auch an seine Kollegen, ihre Forschungen und Ergebnisse zu diesem Thema weiter zu publizieren, um es ins Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. „Wir Wissenschaftler müssen fortfahren, unsere Ergebnisse in die Öffentlichkeit und vor die Politiker zu bringen, damit diese dann wiederum die politische Stimmung in Richtung auf eine weitere Abrüstung drehen können“, so Robocks Schlussappell. (Nature, Vol. 473, 19 May 2011)

(Nature, 20.05.2011 – NPO)

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