Geniales Patent der Natur: Die Zungen unserer Hauskatzen sind noch raffinierter konstruiert als man glaubt. Denn die raue Oberfläche ihrer Zunge besteht aus beweglichen, flexiblen Häkchen. Diese drehen sich beim Felllecken so, dass Haarknoten optimal gelöst werden können, wie Highspeed-Aufnahmen enthüllen. Um die Zunge zu reinigen, genügt dagegen ein simples Abstreifen nach hinten. Diese Konstruktion könnte Vorbild für neue Materialien werden.
Katzen gehören zu den beliebtesten Haustieren des Menschen – und dies schon seit Jahrtausenden. Im Gegensatz zu Hunden sind die samtpfotigen Jäger allerdings nur halb domestiziert und besitzen einen ausgeprägten Sinn für Unabhängigkeit. Und noch etwas unterscheidet Hund und Katze: ihre Zunge. Denn Katzen setzen dieses Körperteil sehr viel geschickter und vielseitiger ein als Hunde.
Missgeschick der kätzischen Art
Ein Konstruktions-Geheimnis der Katzenzunge haben nun Alexis Noel vom Georgia Institute of Technology und ihre Kollegen gelüftet. Den Anstoß dazu gab ein Missgeschick von Noels Hauskatze: Sie leckte an einem Mikrofasertuch herum und dabei blieb ihre Zunge daran hängen. Die Forscherin musste das arme Tier sogar vom hartnäckig „klebenden“ Tuch befreien.
Aber warum? Weshalb kann die Katze mit ihrer Zunge selbst hartnäckige Knoten in ihrem Fell lösen, bleibt aber an der Mikrofaser hängen? Neugierig geworden, beschloss Noel, die Feinstruktur der Katzenzunge näher zu untersuchen. Sie und ihre Kollegen machten dafür Highspeed-Aufnahme der Katzenzungen in Aktion, analysierten die Zungenoberfläche und erstellten erstmals ein vergrößertes Modell der einzigartigen Struktur.
Zungenhäkchen sind beweglich
Dabei zeigte sich: Die Oberseite der Katzenzunge ist nicht nur mit winzigen Widerhäkchen besetzt, diese sind auch beweglich. „Wenn die Zunge beim Felllecken auf einen Knoten trifft, zieht dieser an den Haken und diese drehen sich, um noch tiefer in die Knoten einzudringen“, erklärt Noel. „Diese Beweglichkeit der Haken ermöglicht es der Katze, Fellknoten besser zu entwirren.“
Im Gegensatz dazu kann eine Haarbürste mit steifen, geraden Borsten solche Haarknoten entweder ausreißen oder aber die geraden Borsten rutschen einfach ab. Die gebogenen, aber flexiblen Zungenhäkchen der Katze verhindern dies dagegen, ohne unnötig Haare auszureißen, wie die Forscherin erklärt.
Leichte Reinigung
Und noch einen Vorteil hat die raffinierte Feinstruktur: Wenn die Katze ihre Zunge gerade nicht zur Fellreinigung nutzt, liegen die feinen Häkchen eng an. Sie ähneln dann eher glatten, sich überlappenden Schuppen. „Diese Konfiguration macht es auch einfacher, die Zunge wieder zu säubern“, erklärt die Forscherin. Es genügt ein Abstreifen in Richtung des Rachens, um anhaftende Haare und Schmutz zu entfernen.
Dies bestätigte ein Versuch mit dem vergrößerten Nachbau der Katzenzunge: „Es ist leicht, die unter diesen Häkchen verfangenen Haare zu beseitigen“, sagt Noel. „Es genügt, einmal von der Spitze bis zum Ende über die Zunge zu streichen.“ Diese Reinigungsmethode ist auch der Grund, warum Katzen häufig ganze Haargewölle wieder auswürgen: Die Zunge erlaubt es nur, Haare nach hinten abzustreifen.
Vorbild für neue Materialien
Die raffinierte Konstruktion der Katzenzunge könnte zum Vorbild für neue Materialien und Oberflächen werden: „Die Flexibilität der Häkchen auf der Katzenzunge könnten eine große Spannbreite von Anwendungen haben, von einer leicht zu reinigenden Zahnbürste bis zu einer verbesserten Wundreinigung in der Medizin“, sagt Noel.
Die Forscher arbeiten bereits daran, eine von der Katzenzunge inspirierte Oberfläche zu entwickeln. Sie könnte beispielsweise künftigen Softrobotern die Haftung am Untergrund erleichtern, aber auch Haftmaterialien oder selbstreinigende Haarbürsten ermöglichen. (69th Annual Meeting of the American Physical Society’s Division of Fluid Dynamics (DFD))
(American Institute of Physics (AIP), 22.11.2016 – NPO)