Überraschend schnell: Wissenschaftler haben erstmals die Physik hinter dem Fingerschnipsen analysiert. Ihre Untersuchungen enthüllen, dass dieses Schnipsen mit Daumen und Mittelfinger sogar die menschliche Bewegung mit der höchsten bisher gemessenen Beschleunigung ist. Entscheidend für die Entstehung des typischen Geräuschs ist dabei die Oberflächenbeschaffenheit der Finger. Mit einem metallenen Handschuh wäre es beispielsweise nicht möglich zu schnipsen.
Der erste Beleg eines Fingerschnipsens stammt aus dem vierten Jahrhundert vor Christus: Auf einer antiken griechischen Vase ist der Waldgott Pan mit einer Mänade tanzend dargestellt. Mit seiner rechten Hand schnipst er zur Musik. Zu erkennen ist dies an der dafür typischen Haltung von Daumen und Mittelfinger. Auch heute noch ist Fingerschnipsen ein weit verbreitetes Mittel, um beispielsweise einen Rhythmus zu erzeugen oder auf sich aufmerksam zu machen.
Vom Super-Bösewicht inspiriert
Ein Team um Saad Bhamla vom Georgia Institute of Technology hat den genauen Bewegungsablauf des Fingerschnipsens und die Physik dahinter erstmals genauer betrachtet. Als Grundlage nutzten sie Modelle aus vorherigen Forschungen, in denen sie extrem schnelle Tierbewegungen wie die des Fangschreckenkrebses analysierten. Die untersuchten Bewegungen beruhten alle auf dem Prinzip einer großen aufgestauten Spannung, die dann schlagartig gelöst wird. Hier sahen die Forscher starke Parallelen zum menschlichen Fingerschnips.
Auf die Idee, die Physik des Schnipsens zu untersuchen, kamen Bhamla und Co-Autor Raghav Acharya laut eigener Aussage, nachdem sie 2018 den Film „Avengers: Infinity War“ im Kino gesehen hatten. In dem von Marvel Entertainment produzierten Superhelden-Film versucht der Bösewicht „Thanos“, sechs besondere Steine zu sammeln und sie in seinem metallenen Handschuh zu vereinen. Wenn er alle sechs beisammen hat, kann er mit einem Fingerschnipsen das halbe Universum auslöschen.
Bhamla und Acharya fragten sich daraufhin, ob es mit einem Metallhandschuh überhaupt möglich sei zu schnipsen. Sie vermuteten, dass die Reibung an den Fingern für den Schnipser eine nicht unbedeutende Rolle spiele und der Handschuh eventuell zu rutschig hierfür sei.
Vier verschiedene Oberflächen
Um zu untersuchen, wie sehr der Schnips-Erfolg von der Fingeroberfläche abhängt, testeten die Wissenschaftler vier verschiedene Beläge. Als Grundlage diente ein Nitril-Handschuh, wie er auch in Krankenhäusern zu finden ist. Zusätzlich testeten die Forscher mit Gleitmittel befeuchtetes Nitril, einen Latex-Fingerhut und kupferne Fingerkuppen, die von regulären Nitril-Handschuhen an ihrem Platz gehalten wurden. Letztere sollten den Metallhandschuh Thanos‘ simulieren.
Bhamlas Team analysierte die Fingerschnipse mithilfe von Hochgeschwindigkeitskameras und Kraftmessern. Sie ließen drei Versuchspersonen aus ihrem Team je fünfmal mit jedem der vier Fingerbeläge schnipsen. Zusätzlich maßen sie die Kraft, Beschleunigung und Geschwindigkeit beim Schnipsen mit der nackten Hand.
20-fach schneller als ein Blinzeln
„Als ich die Daten gesehen habe, bin ich fast vom Stuhl gefallen“, berichtet Bhamla. Nach diesen ist ein Fingerschnips mit nackter Haut die am schnellsten beschleunigte Rotationsbewegung, die je beim Menschen jemals gemessen wurde. Der Schnipser löst mit einer Winkelbeschleunigung von 1,6 Millionen Grad pro Quadratsekunde den Rekord durch die Armbewegung eines Baseball-Pitchers ab, der bei Profis eine Winkelbeschleunigung von ungefähr 0,6 Millionen Grad pro Quadratsekunde erreichen kann.
Bei der Winkelgeschwindigkeit liegt der Arm eines Profi-Pitchers mit 9.200 Grad pro Sekunde allerdings noch etwas über dem Fingerschnips, welcher auf 7.800 Grad pro Sekunde kommt. Das entspricht bei einer normalen Mittelfingerlänge einer Maximalgeschwindigkeit der Fingerspitze von ungefähr 8 Metern pro Sekunde – gut 30 Kilometern pro Stunde. Diese Geschwindigkeit ist allerdings nur sehr kurzzeitig vorhanden. „Der Schnips dauert gerade einmal sieben Millisekunden, das ist mehr als 20-mal schneller als ein Blinzeln“, sagt Bhamla.
Nur Nitril geeignet
Der Materialvergleich der Wissenschaftler zeigt, dass nur die normalen Nitril-Handschuhe zum Schnipsen geeignet sind. Nachdem sie angefeuchtet wurden, gelang es den Testpersonen nicht mehr, genug Spannung aufzubauen. Durch die eher rutschfesten Latex-Kappen hingegen wurde zwar eine hohe Kraft aufgebaut, da diese aber nur sehr langsam gelöst wird, erreicht der Schnipsfinger ebenfalls nur geringe Geschwindigkeiten.
Auch mit der Kombination aus Kupfer-Fingerhut und Nitril-Handschuh gelang den Forschern kein ordentlicher Schnipser. Zwar war die Oberflächenbeschaffenheit durch den über das Kupfer gezogenen Handschuh im Prinzip die gleiche wie beim reinen Nitril-Handschuh, durch den Metallfingerhut fehlte aber die nötige Nachgiebigkeit. „Indem die Kompressionsfähigkeit und die Reibung reduziert werden, fällt es schwer, noch genug Kraft zum Schnipsen aufzubauen“, erklärt Challita, ein Kollege Bhamlas.
Damit klärt dies auch die Anfangsfrage des Forscherteams: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Thanos durch den Handschuh an seinem Finger nicht in der Lage war zu schnipsen“, sagt Acharya.
In der Robotik einsetzbar
Die Ergebnisse der Schnips-Studie liefern den Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Modelle weiter zu optimieren, die sie auch für die weitere Untersuchung von schnellen tierischen Bewegungen benutzen. Zusätzlich könnten die Erkenntnisse auch weitere Grundlagen für die Entwicklung von Robotern bieten, die auf weiche, aber haftende Oberflächen angewiesen sind. Auch die Oberflächenwahl künftiger Prothesen kann laut den Forschern dadurch verbessert werden. (Journal of the Royal Society, 2021; doi: 10.1098/rsif.2021.0672)
Anmerkung: In einer früheren Fassung des Artikels wurde die berechnete Maximalgeschwindigkeit des Mittelfingers irrtümlicherweise deutlich zu hoch angegeben. Dies wurde korrigiert.
Quelle: Georgia Institute of Technology