Die Zahnhülle von Meeresschnecken ist extrem hart und widerstandsfähig. Warum, das hat jetzt das erste dreidimensionale Abbild der Lage und Art von Millionen einzelner Atome im Zahnschmelz einer solchen Schnecke entzhüllt. Das Einzigartige an dem komplexen Zahnmaterial: Es besteht aus einem Mineral, enthält aber dennoch organische Fasern, wie die in „Nature“ erschienene Studie jetzt erstmals belegt. Die neuen Erkenntnisse liefern wertvolle Informationen auch für die Produktion neuer extrem widerstandsfähiger Verbundmaterialien.
Zähne und Knochen sind wichtige und komplexe Strukturen für Tiere und Mensch, doch über ihren chemische Struktur auf atomarer Ebene ist bisher erstaunlich wenig bekannt. So ist beispielsweise unklar, woher die aus einem Komposit von organischem und anorganischem Material bestehenden Zähne vieler Mollusken ihre Härte und Widerstandsfähigkeit nehmen. Seit längerem schon hatten Forscher den Verdacht, dass die Grenzschicht zwischen den beiden Komponenten für diese Eigenschaften eine entscheide Rolle spielen könnte.
Grenzschicht entscheidend
„Die Grenzschicht zwischen den organischen und anorganischen Materialien spielt eine große Rolle für Eigenschaften und Struktur“, erklärt Derk Joester von der Northwestern Universität. „Aber wie erzeugen und kontrollieren Organismen diese Materialien? Wir müssen diese Architektur im Nanomaßstab verstehen, um neue Materialien intelligent designen zu können. Sonst hätten wir wirklich keine blasse Ahnung, was da eigentlich vor sich geht.“ Jetzt ist es Wissenschaftlern der Northwestern Universität um Joester und seinen Kollegen Lyle Gordon erstmals gelungen, mit Hilfe modernster Atomsonden-Technologie eine dreidimensionale Atomkarte dieser Grenzschicht zu erstellen.
Zahnnachwuchs wie am Fließband
Für ihre Studie nutzten sie Zähne einer Käferschnecke – einer im Meer lebenden Molluskenart, die sich vom Algenbewuchs auf Steinen ernährt. Weil ihre Zähne dadurch stark beansprucht werden, wachsen wie an einem Fließband jeden Tag neue nach und werden auf der Raspelzunge nach vorne geschoben. Die Zähne der Käferschnecke ähneln im Aufbau stark denen des Menschen, da auch sie eine sehr harte Außenschicht ähnlich unserem Zahnschmelz, und einen weicheren Kern besitzen. Statt des Zahnschmelzes besteht ihre Außenschicht jedoch aus Magnetit, einem sehr harten Eisenoxid, das den Zähen einen schwarzen Schimmer verleiht.
Analyse Atom für Atom
Die Forscher extrahierten winzige Proben der Zahnvorderseite und untersuchten diese mit Hilfe einer tomografischen Atomsonde. Ziel war es herauszufinden, ob und wie organische Fasern in dem Magnetit-gehärteten Material der Zahnhülle verlaufen. Die Atomsonden-Tomografie ermöglicht es, die Zusammensetzung einer Probe atomgenau zu bestimmen. Ein extrem starkes aber eng lokalisiertes elektrisches Feld löst dabei Atom für Atom von der Probenoberfläche ab und lässt sie in einen Detektor fliegen. Das resultierende Muster wird dann in eine dreidimensionale Karte oder Tomogramm umgerechnet.
Erstmals organische Fasern in Mineral belegt
Tatsächlich konnten die Forscher durch diese quantitative Kartierung nachweisen, dass sich fünf bis zehn Nanometer dicke organische Fasern auch in der Magnetitschicht befinden. Überraschend war dabei unter anderem die chemische Heterogenität der Fasern, die erste Hinweise darauf gibt, wie Organismen die Chemie ihrer Gewebe und Körperstrukturen im Nanomaßstab modulieren. Die Fasern enthalten neben organischen Kohlenstoffverbindungen auch Natrium- oder Magnesium-Ionen. Joester und Gordon sind damit die ersten, die die Lage, die Dimension und die chemische Zusammensetzung organischer Fasern in einem Mineral belegen.
Die neue Erkenntnisse und die genauere Analyse der Grenzschichten im Käferschneckenzahn können auch dazu beitragen, zukünftig Verbundmaterialien mit neuen oder verbesserten Eigenschaften produzieren zu können – hart wie ein Mineral, aber flexibel wie ein organisches Material. Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun auch den Zahnschmelz und die Knochen eines Wirbeltiers mit Hilfe der Atomsonden-Tomografie untersuchen, da auch diese Strukturen aus organischen und anorganischen Komponenten bestehen.
(Northwestern University, 13.01.2011 – DLO)