Neurobiologie

Gehirne von Fliegen und Menschen entstehen ähnlich

Forscher finden weitere Indizien für gemeinsamen evolutionären Ursprung aller Gehirne

Eine neuronale Vorläuferzelle erzeugt eine Vielzahl von Nervenzellen, die durch genetische Methoden grün markiert sind, im Gehirn von Drosophila. © Universität Basel

Wissenschaftler haben im Gehirn der Taufliege Drosophila eine neue Art der Bildung von Nervenzellen entdeckt. Im Vergleich zum Säugetier lassen sich dabei wichtige entwicklungsbiologische Parallelen in der Gehirnentstehung nachweisen. Diese neu entdeckte Ähnlichkeit bei Fliegen und Säugern ist ein weiterer wichtiger Hinweis auf die erstaunliche evolutionäre Verwandtschaft aller Gehirne, so die Forscher in der Fachzeitschrift „Neural Development“.

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Die Nervenzellen im Gehirn der Taufliege Drosophila entstehen aus Vorläuferzellen, den so genannten Neuroblasten. Alle bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Neuroblasten sich bei der Nervenzellbildung wie neuronale Stammzellen verhalten: Sie teilen sich in asymmetrischer Weise, erneuern sich dabei selbst und bilden kleinere Tochterzellen. Diese Tochterzellen teilen sich dann aber nur noch ein Mal, um schließlich je zwei Nervenzellen auszubilden.

Bei Säugetieren entstehen die Nervenzellen des Gehirns ebenfalls aus stammzell-ähnlichen Vorläuferzellen. Im Gegensatz zu den Nervenzellen der Taufliege bilden die Vorläuferzellen im Säugergehirn aber eine viel größere Anzahl von Nervenzellen. Die von ihnen produzierten kleineren Tochterzellen haben die Fähigkeit, sich mehrmals zu teilen, bevor sie zur abschließenden Nervenzellbildung übergehen. Die Tochterzellen verhalten sich gewissermaßen wie „Miniatur-Vorläuferzellen“ und können viele Nervenzellen erzeugen, was zu einer bemerkenswerten Steigerung der Nervenzellanzahl im Säugergehirn führt.

Nervenzellen vom Fließband

Die Forschungsgruppe um Professor Heinrich Reichert am Biozentrum der Universität Basel hat nunmehr nachgewiesen, dass gewisse Neuroblasten im Gehirn von Fliegen ebenfalls in der Lage sind, solche Miniatur-Vorläuferzellen zu produzieren. Dazu haben die Forscher Markierungsmethoden und Zellliniennachweismethoden im Gehirn der Drosophila eingesetzt. Sie konnten nachweisen, dass bestimmte Neuroblasten eine erstaunlich große Anzahl von Nervenzellen bilden können und dass dies ebenfalls durch die Ausbildung von Miniatur-Vorläuferzellen geschieht, wie im Gehirn der Säugetiere.

Das Labor von Reichert beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung und Evolution des Gehirns und vergleicht dabei vor allem die zellulären und molekularen Mechanismen der Gehirnbildung in der Taufliege mit jenen, die bei der Entwicklung des Säugergehirns ablaufen. Die Gesamtheit dieser vergleichenden entwicklungsbiologischen Studien weist darauf hin, dass die Gehirne aller Tiere, inklusive jenes des Menschen, auf einem ähnlichen Bauplan beruhen und einen gemeinsamen evolutionären Ursprung haben.

(idw – Universität Basel, 25.02.2008 – DLO)

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