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Gesundheit als Herausforderung für Megastädte Indiens

Punes Suche nach einer besseren Gesundheitsstrategie für die Bevölkerung

Abwasserkanal in den Slums © Frauke Kraas

Sie war früher die Sommerresidenz der britischen Kolonialherren und mit dem Ashram die Kultstätte vieler Hippies. Heute dagegen ist die indische Stadt Pune der südöstliche Endpunkt eines zusammenwachsenden megaurbanen Verdichtungsraumes, der im 140 Kilometer westlich gelegenen Mumbai – früher Bombay – beginnt. Doch die enorme Entwicklung der Metropole in den letzten 40 Jahren ist nicht ohne Folgen geblieben. Für Wissenschaftler steht Pune stellvertretend für eine Vielzahl von Megastädten der Schwellen- und Entwicklungsländer, in denen sich boomartige Industrialisierung und Stadtwachstum tiefgreifend auf die Lebensqualität und Gesundheit ihrer Bevölkerungen auswirken.

Menschliche Gesundheit als Ressource

Der indische Nobelpreisträger Amartya Sen hat Gesundheit einmal als die grundlegende Ressource bezeichnet, die menschlichem Leben einen Wert gebe. „Nüchterner betrachtet ist Gesundheit einer der wichtigsten Posten des Humankapitals, da sie Vorbedingung für den Erwerb des Lebensunterhaltes und die Gestaltung des eigenen Lebens ist“, sagt Professorin Frauke Kraas vom Geographischen Institut der Universität zu Köln. „Damit ist Gesundheit sowohl Spiegel als auch Vorbedingung gesellschaftlicher Entwicklung, wie auch in den Millennium-Entwicklungszielen betont wird.“ Mit der globalen Urbanisierung ist die Gesundheit städtischer Bevölkerung in das Blickfeld der interdisziplinären Forschung gerückt. Besonders die verschiedenen Einflussfaktoren auf den Gesundheitsstatus unterschiedlicher städtischer Bevölkerungsgruppen werden immer wichtiger.

„Das alte Denkmuster des Dreiklangs ‘städtisches Leben = besser versorgt = besserer Gesundheitsstatus‘ versus ‘ländliches Leben = schlechter versorgt = schlechterer Gesundheitsstatus‘ stimmt so nicht mehr, sondern kehrt sich partiell um“, erläutert Kraas. „Das Beispiel der Gesundheitsversorgung in Pune verdeutlicht dies.“

Krankheit als Ursache für Verelendung

Prinzipiell ist der Gesundheitssektor Indiens zweigeteilt: Einem an sich gut strukturierten, aber unterfinanzierten öffentlichen Gesundheitswesen steht ein vollkommen unregulierter privater Bereich gegenüber, der aber den Großteil der Bevölkerung versorgt. Dabei sind die Leistungen privater Ärzte und Krankenhäuser für einen großen Teil der Bevölkerung häufig unbezahlbar. Im Krankheitsfall droht deshalb Vielen eine hohe Überschuldung.

Kinder spielen auf gefährlicher Müllhalde in Pune © Frauke Kraas

Einer Studie der Weltbank zufolge führt der Krankenhausaufenthalt eines Familienmitgliedes bei knapp einem Viertel der Haushalte im Bundesstaat Maharashtra in die Verelendung – allein durch die direkten Kosten. Dies belegt, dass der öffentliche Gesundheitssektor, der zumindest theoretisch kostenfreie beziehungsweise stark subventionierte Leistungen für die ärmsten Bevölkerungsschichten bereitstellen sollte, nicht die erwünschte Wirkung entfaltet. „Zukünftig ist auch keine Verbesserung der städtischen Versorgungslage zu erwarten, da die indische Regierung ihre Anstrengungen zur Verbesserung der Gesundheitssituation mit der National Rural Health Mission derzeit auf die ländlichen Gebiete lenkt“, prognostiziert Carsten Butsch, ebenfalls vom Geographischen Institut der Universität zu Köln.

Zu wenig Ärzte, zu viele Patienten?

Am Beispiel Punes zeigt sich, dass zwar insgesamt ein ausreichendes Angebot an Gesundheitseinrichtungen besteht, der Zugang zu diesen jedoch für große Teile der Bevölkerung kaum zu verwirklichen ist. Denn den finanziellen Barrieren im privaten Gesundheitssektor stehen räumliche Hürden wie die Entfernung und die Kosten des Transports und soziale Hindernisse im öffentlichen Gesundheitssektor gegenüber. Zu letzteren gehören Akzeptanz, Vertrauen, Öffnungszeiten und vieles mehr.

Public Health Post (Anganwadi) in einem Slum in Pune © Carsten Butsch

Diese nehmen wegen der immer stärkeren Überlastung aber stetig zu. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die steigenden Patientenzahlen bei nahezu unverändertem Personal- und Finanzaufwand. So gaben im Rahmen einer Haushaltsbefragung daher auch lediglich vier Prozent der Befragten an, sich im Falle einer akuten Erkrankung wie einem schweren Durchfall in einer Einrichtung des öffentlichen Gesundheitssektors behandeln zu lassen. Bei chronisch Kranken, die an einer Diabetes litten, lag der Anteil dagegen immerhin bei neun Prozent.

„Dies deutet daraufhin, dass die Menschen den öffentlichen Gesundheitssektor wegen der geringeren Kosten für längerfristige Behandlungen durchaus als Alternative ansehen“, sagt Ulrich Nitschke von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt bei InWEnt (SKEW), die in einem Forschungsprojekt beteiligt ist, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. „Indische Mediziner haben in den letzten Jahren eine deutlich steigende Zahl an solchen chronischen Erkrankungen registriert. Aber auch Infektionskrankheiten sind trotz städtischer Entwicklung weiterhin sehr häufig. Dies liegt nicht nur an Umweltveränderungen, sondern vor allem an einer Umstellung der Lebensweise der Menschen.“

Eine neue Gesundheitsstrategie für Pune

Doch gibt es Möglichkeiten, die vielfältigen Probleme in Pune zu lösen? Wie kann man vor allem die Gesundheitsversorgung der Menschen in der Megastadt verbessern? Nach Ansicht von Forschern muss zunächst einmal der Zugang zum Gesundheitssystem erleichtert werden. Hierfür bieten sich drei Alternativen: So könnten beispielsweise das öffentliche medizinische Netz ausgebaut und das Vertrauen der Bevölkerung in dieses System gestärkt werden. Alternativ könnte die Sicherstellung der Versorgung in Kooperation mit privaten Leistungserbringern erfolgen (Public Private Partnerships). Eine dritte Variante wäre es durch neu zu schaffenden Versicherungsschutz, die Kosten privater Behandlung zu decken. Alle drei Ansätze bedeuten dabei eine radikale Änderung des bestehenden Systems.

„Die zuständigen Behörden stehen zudem vor der Aufgabe die Prävention zu verbessern indem sie beispielsweise eine breit angelegt Informationskampagne zur Gesundheitsvorsorge starten. Hierfür ist es aber notwendig, in Kooperation mit dem privaten Gesundheitssektor eine flächendeckende Gesundheitsberichterstattung zu erstellen. All diese Bemühungen jedoch müssen in einer gesamtstädtische Gesundheitsstrategie münden, die auch andere Bereiche der Stadtplanung einbezieht“, so das Fazit von Kraas.

(Carsten Butsch, Professorin Frauke Kraas/ Geographisches Institut der Universität zu Köln; Ulrich Nitschke/ InWEnt/SKEW, 15.02.2008 – DLO)

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