Wundermaterial der Zukunft, in der Küche hergestellt: Das Nanomaterial Graphen begeistert mit seinen Eigenschaften Wissenschaftler in aller Welt und aus zahlreichen Fachgebieten. Forscher aus Irland zeigen nun, dass sich Graphen auf denkbar einfache Art herstellen lässt: im Mixer. Im Journal „Nature Materials“ beschreiben sie, wie sie auch in industriellen Mengen Graphen von ausreichender Qualität produzieren.
Graphen ist das zurzeit begehrteste und am meisten studierte Nanomaterial: Es ist im Idealfall nur eine Schicht Atome dünn, aber dennoch bemerkenswert stabil und flexibel. Es besteht wie Graphit aus Kohlenstoff und ist außerordentlich leitfähig. Von Solarzellen bis Computerdisplays soll es die Elektrotechnik revolutionieren. Dazu muss jedoch eine ausreichende Menge Graphen vorhanden sein. Existierende Methoden sind jedoch entweder teuer oder langwierig, oder das erhaltene Graphen hat zu viele Fehler in seiner Struktur.
Noch einfacher, viel schneller
Eines der ersten dieser Herstellungsverfahren ist bemerkenswert einfach: Man klebt einen Klebestreifen auf ein Stück Graphit, zum Beispiel eine Bleistiftmine, und zieht ihn ruckartig wieder ab. Am Klebstoff bleiben winzige Flöckchen hängen. Nun klebt man den Streifen auf eine Glasplatte und zieht ihn erneut ab. Auf dem Glas befinden sich nun winzige, hauchdünne Graphenflocken, die man nur noch vom restlichen Klebstoff befreien und eventuell noch ein paar Mal abziehen muss, bis sie dünn genug sind.
Diese Methode ist für wirklich große Mengen des Wundermaterials, insbesondere im Industrie-Maßstab, aber viel zu langwierig. Die Alternative, die Wissenschaftler um Jonathan Coleman am Trinity College in Dublin entwickelt haben, ist sogar noch einfacher: Sie benötigen nur einen Mixer, Graphit, Wasser und etwas Spülmittel. Im richtigen Verhältnis und mit der richtigen Geschwindigkeit gemixt, erhalten die Forscher eine Suspension von Graphenflocken. Dies funktioniert in praktisch jeder Größenordnung, ob Küchengerät oder Laborwerkzeug, wie sie erklären. Mit einem industriellen Mixer produzierten die Wissenschaftler 100 Liter Graphensuspension auf einmal.
Schichten intakt voneinander lösen
Eine gewisse Überraschung war, dass die Scherkräfte beim Mixen die Graphenschichten nicht völlig zerstören, aber dennoch ausreichen, um sie voneinander zu lösen. Genau dieser Vorgang, die sogenannte Exfoliation, ist so schwierig bei der Herstellung von Graphen aus Graphit. Coleman und seine Kollegen haben ihre Methode daher ausgiebig optimiert: So liefert das Lösungsmittel N-methyl-pyrrolidon bessere Resultate als eine wässrige Tensid-Lösung.
Die erhaltenen Graphenflocken waren 300 bis 800 Nanometer groß und weniger als zehn Einzelschichten dünn. Solange sie im Lösungsmittel vorliegen, zeigen sie keine Anzeichen von Oxidation oder ähnlichen Schäden. Als Überzugsmaterial für Elektroden müsste das Graphen ohnehin in einer Flüssigkeit suspendiert sein, so die Forscher. Sie testeten ihr Graphen für genau diesen Zweck, und fanden heraus, dass es sich hervorragend als Material für elektrische Sensoren eignet.
Auch in Kunststoff-Verbundmaterialien stellte sich das Graphen aus dem Mixer als geeignet heraus. Coleman zufolge rückt die kommerzielle Nutzung von Graphen mit der neuen Herstellungsmethode einen großen Schritt näher. (Nature Materials, 2014; doi: 10.1038/nmat3944)
(Trinity College Dublin, Ireland, 24.04.2014 – AKR)